Die Digitalkünstler Reinhold Adscheid, Elmar Diks und Ferdinand Vogel
Von Denise Steger
2. Februar 2016
Die Anfänge der Digitalkunst markierten 1950 die „oscillographic artworks“ des amerikanischen Mathematikers Ben Laposky (1914-2000). Diese neue Kunstrichtung, bei der es bis in die 80er Jahre noch umstritten war, ob es sich überhaupt um Kunst handele, untermauerte der Wiener Herbert W. Franke (* 1927), der von 1973-1997 an der Münchner Universität Computer-Graphik und Computer-Kunst lehrte, mit einem ersten Buch und einer Reihe von Essays. Der Amerikaner John Whitney Senior (1918-1996), der 1949 seine ersten computeranimierten Filme der Öffentlichkeit präsentierte, erreichte mit seinem Meisterwerk „Arabesque“ 1975 internationale Anerkennung. 40 Jahre später ist die digitale Kunst eine nicht mehr wegzudenkende Richtung im Bereich der visuellen Ästhetik. Die Künstler Reinhold Adscheid, Elmar Diks und Ferdinand Vogel stellen sich den Herausforderungen dieses wohl grenzenlosen Mediums und präsentieren zurzeit ihre Werke in den Treppenhausetagen der Industrie und Handelskammer in Köln.
Reinhold Adscheid, promovierter Teilchenphysiker, verfeinert seit vielen Jahren auf der Grundlage der Fotografie seine speziell entwickelten Software-Programme, mit dem Ziel, verschiedene Positionen in Zeit und Raum gleichzeitig in einem Bild, das sich als vierdimensionaler Raum öffnet, zu visualisieren. Einen Gegenstand von vorne, von hinten, von der Seite und zu verschiedenen Zeiten in einem Moment der Gegenwart zu betrachten, ist dem menschlichen Auge auf direktem Wege nicht möglich. Die Problematik wurde in der Kunst schon früh erkannt und reicht von frühen Panoramabildern des 18. Jahrhunderts bis hin zu Kubismus und Futurismus, die das Sehen zu Beginn des 20. Jahrhunderts revolutionierten.
Aachener Straße/15, © Reinhold Adscheid/VG-Bild Kunst Bonn
Weltstadthaus/15, © Reinhold Adscheid/VG-Bild Kunst Bonn
Reinhold Adscheid hebt die erstrebte „Allschau“ durch seine „Chrono-chorotischen“ Bilder, wie er sie nennt, mit Hilfe der digitalen Technik auf eine neue und vielfach erweiterte Ebene der Wahrnehmung.
Rheinauhafen/15 © Reinhold Adscheid/VG-Bild Kunst Bonn
Rheinauhafen/29 © Reinhold Adscheid/VG-Bild Kunst Bonn
Beim ersten Eindruck wird der Betrachter konfrontiert von einem Gewirr sich überlagernder Liniengerüste, die die Flächen schemenhaft zurückversetzen – von einem „Irrgarten“, in dem das Auge die gewohnte Klarheit des Gegenstandes sucht, bis es beginnt, sich auf die vielen Dimensionen einzulassen - nicht mehr den „Ausgang“ sucht, sondern sich faszinieren und gefangen nehmen lässt, um in einen komplexen Bildraum der Vibration einzutauchen.
Kölner Dom/10, © Reinhold Adscheid/VG-Bild Kunst Bonn
Reinhold Adscheid bewegt sich in seiner Motivwahl zwischen Urbanität und Natur und hat für die IHK- Ausstellung überwiegend Bilder aus seiner Heimatstadt Köln ausgewählt, daneben auch ein Beispiel aus seiner Serie „Lantern“ – rotationssymmetrische Paraphrasen über verschiedene Arten nostalgischer Straßenlaternen, hier eine vom Berliner Gendarmenmarkt.
Gendarmenmarkt/9, © Reinhold Adscheid/VG-Bild Kunst Bonn
Des Weiteren zeigt der Künstler abendliche/nächtliche Impressionen mit Titeln wie „Nachtschwärmer“, „Plattform“ oder „Eigelstein“, in denen die Lichtführung eine Hauptrolle übernimmt – Unrast, Geschwindigkeit, die Hektik der Straße… Passanten werden in ihrer „digitalen Bewegung“ mit der Tiefe des Bildraums verschmolzen.
Plattform/27, © Reinhold Adscheid/VG-Bild Kunst Bonn
Eigelstein/9, © Reinhold Adscheid/VG-Bild Kunst Bonn
Es wäre sicher ein spannungsreicher Vergleich, die Werke des Futuristen Giacomo Balla, z.B. „Die Hände des Violinisten“ (1912) oder Carlo Carràs „Theaterschluss“ (1910/11) solchen Werken Reinhold Adscheids gegenüber zu stellen, um hier über den Verlauf einer 100jährigen Kunstentwicklung diskutieren zu können.
Auch für Elmar Diks ist das Foto im Wesentlichen die Grundsubstanz seiner „Digitally reworked Photo-Art“. Mit speziellen Computerprogrammen bearbeitet er seine Aufnahmen, transformiert sie zu einer eigenen Bildidee, die nur bedingt oder gar nicht der Rückkoppelung an den ursprünglichen Gegenstand bedarf. Diese Werke sind frei, unabhängig und geben dem Betrachter einen weiten Assoziationsspielraum.
Elmar Diks arbeitet mit Motiv-Serien, zum Beispiel zum Thema „Asphalt“. Den Blick auf die Straße gerichtet, gerät deren aufplatzende Decke, Risse und Spuren der Abnutzung in den Fokus des Künstlers und werden transformiert in eine andere Welt, wo Geheimnisvolles, Unergründliches, auch Seelisches einen Platz findet. „Cirrus“ ist ein meisterhaftes Beispiel für diese Serie.
Cirrus, 60 x 80 cm, Acryl-Forex, © Elmar Diks
Der Grad der Verfremdung schwankt, wie man das an seinen Bildern zum Thema „Landschaft“ beobachten kann: Das in Schwarz-Weiß entwickelte Werk “Haus am Meer“ lässt noch deutlich ein Strandszenario erkennen, obwohl die gleißende Lichtführung in den Vordergrund tritt und eher ein Stimmungsbild vermittelt, was sich in dem durch kleine flächige Schollen gebrochenen Bildraum des ebenfalls in Schwarz-Weiß gehaltenen Werks „Rainy Sunday Beach Walk“ noch verstärkt.
Haus am Meer, 60 x 90 cm, Acryl-Forex, © Elmar Diks
Rainy Sunday Beach Walk, 60 x 90 cm, Acryl-Forex, © Elmar Diks
Von strahlender Farbigkeit und großer Raumtiefe zeugen die drei „Landscapes“ „Elemendos“, „Eden“ und „Infamy“. Wasser, Felsen und pflanzliche Elemente verschmelzen zu traumhaften Kompositionen, in denen der Betrachter einen Spaziergang in die Tiefe wagen kann.
Elemendos, 60 x 80 cm, Acryl-Forex, © Elmar Diks
Eden, 90 x 120 cm, Acryl-Forex, © Elmar Diks
Infamy, 100 x 80 cm, Acryl-Forex, © Elmar Diks
Elmar Diks´ Serie der virtuell-experimentellen Werke dagegen reicht bis hin zur völligen Gegenstandslosigkeit; diese Werke, wie zum Beispiel „Collis Anima“ , „Soul Glade“ und „Threat“ sind geprägt von einer starken, in kleinste Elemente aufgelösten Farbigkeit und subtilen Lichtführung übereinander gelagerter Bildschichten, die man als „digitalen Impressionismus“ bezeichnen könnte.
Collis Anima, 100 x 100cm, Druck auf Leinwand, © Elmar Diks
Diese Werke zeigen jene virtuellen Spuren, denen ein System zu Grunde liegt, das bis zu Gottfried Wilhelm Leibniz ins 17. Jahrhundert zurückführt. Jener Mathematiker, Philosoph und Theologe, der dieses, auf den Ziffern 1 und 0 beruhende „duale System“, Grundlage unserer ganzen digitalen Welt, entwickelte und in ihm, als Universal denkender Mensch, das Göttliche suchte. Hier schließt sich der Kreis von Wissenschaft, Natur, Spiritualität und Kunst.
Soul Glade, 100 x 80 cm, Druck auf Leinwand, © Elmar Diks
Threat, 100 x 80 cm, Druck auf Leinwand, © Elmar Diks
Elmar Diks Bilder geben den Spielraum, Systeme zu reflektieren und die Dinge die tiefer liegen, innerhalb dieses großen Netzwerkes, in dem wir uns bewegen, zu visualisieren.
Ferdinand Vogel hat, anders als seine beiden Kollegen, über Jahre hinweg Erfahrung mit traditionellen Kunstrichtungen gemacht. Sie bestimmen die Grundlage seiner digitalen Arbeit, die er als „Fortsetzung seiner eigenen Malerei“ versteht. Seine „Tafelbilder“ entstehen aus Zeichnungen und Skizzen; formale Gerüste und Farbkompositionen werden erdacht, um zum Schluss in einer am Computer entwickelten, alle Elemente auf unterschiedlichen Ebenen verbindenden Komposition vollendet zu werden. Die Ergebnisse weisen in sich eine Konstante und Beständigkeit auf, sind aber variabel: Aus dem Nukleus der Zeichenprogramme können Motive immer wieder paraphrasiert, Ausschnitte gewählt, Farben geändert, Flächen neu zusammengefügt werden. Die erzeugten Bilder setzen so ein vergleichendes Sehen beim Betrachter in Gang, sensibilisieren für die Nuancen des Wandels, lassen Bildräume zur beweglichen Bühne werden.
Aus seiner Serie „colors“ aus dem Jahr 2012 zeigt Ferdinand Vogel „no 4“, ein Werk von starker Farbigkeit, in dem ein tiefes Blau dominiert, durchdrungen von der Lichtfarbe Gelb und punktuellem Rot. Gebrochene geometrischen Formelemente, Fetzen, hastiger „Pinselstrich“ verdichten sich zu einem Konglomerat aufwühlender Expressivität, deren Sog den Blick des Betrachters durch verschiedene transparente Schichten hindurch tief ins Bildinnere zieht.
colors no. 4, 90 x 90 cm, Aluminium Dibond, © Ferdinand Vogel
In den Farben kühler, aber in den Strukturen genauso aufgewühlt präsentiert sich das Werk „gold silver“, kristalline Formen bis ins Kleinste fraktioniert, in weiß-grauen Schattierungen, mit einem leichte Hauch von Gold suggerieren sowohl Zerbrechlichkeit als auch einen Schimmer von Hoffnung.
gold silver, 90 x 90 cm, Aluminium Dibond, © Ferdinand Vogel
Aus der Serie „Stripes & Things“ aus dem Jahr 2014 tritt das Bild mit dem Titel „rembrandt“ in den Fokus: Das traditionelle Porträt eines jungen Mannes taucht aus dem Dunkel des Hintergrunds auf, wird jedoch überlagert von vertikalen Streifen unterschiedlicher Breite in Nuancen von Blau, Gelb und Grün; ein „digitaler Vorhang“ legt sich über den Vordergrund, der die Person entrückt, ihr sozusagen ein Geheimnis verleiht, und unergründlich bleibt im Spannungsfeld von traditioneller Malerei und digitaler Kunst.
rembrandt, 90 x 90 cm, Aluminium Dibond, © Ferdinand Vogel
Auch in seiner 2015 entstandenen Serie „fresko“ spielt das Antlitz von Menschen eine thematische Rolle. Der Titel weist auf eine sehr alte Technik der Malerei hin. Eine Technik, in der Farbe und Bildträger unauflöslich miteinander verschmelzen, wie es in der digitalen Produktion ebenso der Fall ist. 5 kleinformatige Werke hat der Künstler für die Ausstellung ausgesucht. Stärker als in dem Bild „Rembrandt“ werden die Porträts bearbeitet, aus ihnen heraus entfalten sich splitternde, transparent überlagernde Formen, die bis zur Entfremdung, ja Auflösung der Person führen. Ferdinand Vogels Werke berühren, wecken Emotionen und führen über den digitalen Weg zu zutiefst Menschlichem zurück.
fresko no. 7, 14,5 x 19,5 cm (Größe variabel), Giclee print auf 320 g Papier, © Ferdinand Vogel
fresko no. 8, 14,5 x 19,5 cm (Größe variabel), Giclee print auf 320 g Papier, © Ferdinand Vogel
fresko no. 10, 14,5 x 19,5 cm (Größe variabel), Giclee print auf 320 g Papier, © Ferdinand Vogel
fresko no. 11, 14,5 x 19,5 cm (Größe variabel), Giclee print auf 320 g Papier, © Ferdinand Vogel
ART NOVUM – Reinhold Adscheid, Elmar Diks und Ferdinand Vogel
21. Januar – 11. März 2016
Treppenhaus der IHK Köln, Unter Sachsenhausen 10-26, 50667 Köln
www.reinhold-adscheid.de, www.art-diks.de, www.ferdinandvogel.de