Sayner Hütte

Von Denise Steger
22.8.2014

Sayner Hütte 

„Welt in Schwarz und Weiß – Expressionismus als Gesamtkunstwerk“ ist der Titel eines umfangreichen Kunstprojekts im Rahmen des Kultursommers Rheinland-Pfalz, der in diesem Jahr unter dem Motto „Mit allen Sinnen steht“. Film, Licht, Musik, bildende Kunst und Literatur bilden vom 22. August bis 21. September 2014 die Schwerpunkte im historischen Ambiente der Sayner Hütte in Bendorf-Sayn. 1830 von dem Hüttenbauinspektor Carl Ludwig Althans (1788-1864) als erste Industriehalle mit tragender Konstruktion aus vorgefertigten Eisengussteilen fertiggestellt und 2010 als „Historisches Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland“ ausgezeichnet, bietet die alte, im basilikalen Stil errichtete Gießhalle mit ihrer filigranen gläsernen Westfassade einen hervorragenden Ort, Kunst in all ihren unterschiedlichen Sparten aufzunehmen und zu präsentieren. 


Die wechselvolle Geschichte des Eisenhüttenwerkes, die bis in das Gründungsjahr 1770 unter dem Trierer Kurfürsten Clemens Wenzelslaus zurückgeht und über ihre Besitzer, ab 1815 den Preußischen Staat und ab 1865 Alfred Krupp, definiert wurde, reicht über die Stilllegung im Jahr 1926 bis heute.

Sayner Hütte, Fotos: Thomas Naehte, Thomas Wagner, © Freundeskreis Sayner Hütte e.V.

Seit 2004 ist der gesamte Industriekomplex Eigentum der Stadt Bendorf, deren erklärtes Ziel es ist, in Kooperation mit dem Land Rheinland-Pfalz und dem Landkreis Mayen-Koblenz, die Gießhalle, angrenzende Gebäude und das umliegende Gelände zu erhalten und einer neuen Nutzung zuzuführen. Zurzeit wird die Gießhalle im letzten Abschnitt restauriert und die ehemalige Maschinenbauhalle aus Backstein, die in die Krupp´sche Zeit datiert, äußerlich dem historischen Zustand angepasst und im Innern zu einem modernen Besucherzentrum ausgebaut.

                                      

Sayner Hütte, Fotos: Thomas Naehte, Thomas Wagner, © Freundeskreis Sayner Hütte e.V.


„Welt in Schwarz und Weiß – Expressionismus als Gesamtkunstwerk“ wird mit einer Licht-Klag-Installation von Joeressen + Kessner eröffnet. Das Künstlerduo Eva Maria Joeressen und Klaus Kessner, das seit 2001 gemeinsam ihre „Transmedia-Installationen“ entwickelt und im letzten Jahr im Rahmen der Veranstaltung „Kunst im Park“ am gegenüberliegenden Rheinufer mit „grow“ für den Spiegelsaal der Burg Namedy auf sich aufmerksam machte, ist im Außenbereich der Sayner Hütte mit ihrem spektakulären Werk vom 22.-24 August und vom 29.-31.August von 20.30-21.00 Uhr präsent.

„Welt in Schwarz und Weiß“ führt zurück in die Jahre um und nach 1914, der Erste Weltkrieg, seine Vorzeichen und seine verheerenden Folgen, Ängste, Nöte, Tod, apokalyptische Visionen, Zerissenheit, Absurdität und Wahnsinn spiegeln sich in den Künsten auf ergreifende Weise.

„Kampf ums (Über) Leben lautet denn auch der Titel einer Ausstellung mit Grafiken, die in Kooperation mit dem Mittelrhein-Museum in Koblenz erstellt wurde und unter anderem die ausdrucksstarken Werke von Herm Dienz und Clement Moreau zeigen.

Von dem in Koblenz geborenen Maler und Graphiker Herm Dienz (Ernst Hermann Dienz, 1891-1980), der sich im Verlauf seines Lebens unterschiedlichen Kunst-Strömungen des 20. Jahrhunderts zugewendet hat und in den 20er Jahren mit einer Adaption des expressionistischen Stils Erfolge errang, wird sein Zyklus „Passion“ aus dem Jahr 1922 präsentiert, der durch einen unruhigen Linienstil charakterisiert ist.

                      


                    

Herm Dienz, Passion, Holzschnittserie, © Mittelrhein Museum Koblenz

Der ebenfalls in Koblenz geborene Grafiker Clément Moreau (Carl Josef Meffert, 1903-1988) ist mit seinem 20-teiligen Linolschnitt-Zyklus „Fürsorgeerziehung“ aus den Jahren 1928-1929 vertreten. Der Künstler verarbeitet hier seine eigenen traumatischen Erlebnisse, da er, unehelich geboren, eine schwierige Kindheit durchmachte und seine Jugendjahre 1914-1918 in zwei Anstalten in Westfalen verbringen musste.

                      

Clément Moreau, Fürsorgeerziehung, Linolschnittserie, © Mittelrhein Museum Koblenz 

Die Ausstellung findet der Besucher im ehemaligen Direktorenwohnhaus der Sayner Hütte 1; sie ist von Donnerstag-Sonntag von 14-18 Uhr geöffnet – am Tag des offenen Denkmals (14. September) von 11-21 Uhr.


Im Bereich Film wird am Freitag, 12. September um 20 Uhr in der Gießhalle auf einer Großleinwand der aus den Jahren 1919/20 stammende Film von Robert Wiene (1873-1938) „Das Cabinet des Dr. Caligari“ gezeigt. Bahnbrechend waren seine Stilmittel: Kühn verzerrte Architektur-Kulissen (von Walter Reimann, Hermann Warm und Walter Röhrig) kombiniert mit kontrastreicher Licht-Schatten-Wirkung, ein Meilenstein in der deutschen Filmgeschichte. Hinzu kommt die traumatische rätselhafte Handlung, die um das Thema absolute Beherrschung und völlige Machtlosigkeit in der Umkehrung der Rolle des Wahnsinnigen und Gesunden kreist.

 

Das Cabinet des Dr. Caligari, 1919, © Filmmuseum Berlin – Stiftung Deutsche Kinemathek

Der Film, 1933 in Deutschland verboten und 1937 Bestandteil der Ausstellung „entartete Kunst“, wird in der restaurierten Fassung von 2012/2013 gezeigt. Diese Fassung beruht in wesentlichen Teilen auf der Grundlage des im Filmarchiv des Bundesarchivs erhaltenen Kameranegativs und wurde durch die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung in einer 75-minütigen hochauflösenden digitalen Version erstellt, im Februar 2014 auf den Filmfestspielen in Berlin präsentiert und auf Arte ausgestrahlt.

Vorbereitend zur Ausstrahlung dieses expressionistischen Klassikers zeigt am Donnerstag, 11. September um 19.30 Uhr der Filmjournalist und Filmkritiker Rüdiger Suchsland den Dokumentarfilm „Caligari – wie der Horror ins Kino kam“, in dem die politischen und kulturhistorischen Hintergründe des expressionistischen Filmschaffens beleuchtet werden. Der Filmemacher wird sein Werk persönlich vorstellen, auch unveröffentlichtes Archivmaterial zeigen und steht Fragen aus dem Publikum gerne offen.

Ein weiterer Filmklassiker aus dem Jahr 1920, eine der größten internationalen Erfolge des deutschen Stummfilms, erwartet den Besucher am Samstag, 13. September um 20.00 Uhr: „Der Golem, wie er in die Welt kam“ von Paul Wegener (1874-1948) und Carl Boese (1887-1958). Der Golem, mythische Gestalt des Judentums, steht im Zentrum einer mittelalterlichen Legende, die im Prager Ghetto des 16. Jahrhundert spielt – ein Szenario aus Macht, Ohnmacht, Hoffnung und Verzweiflung, Liebe und Hass, das in Tod und Zerstörung endet.

Sayner Hütte

Beide Filme werden von Stephan Graf von Bothmer, Komponist, Pianist und Gründer der StummfilmKonzerte“ im Berliner Kino Babylon live begleitet.

 

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
In allen Lüften hallt es wie Geschrei,
Dachdecker stürzen ab und gehen entzwei
Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut

Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu erdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.

(Jakob von Hoddis, Weltende, 1911)

„Lyrik vom Weltende“ steht am Donnerstag, 18. September um 19.30 Uhr auf dem Programm. Der Koblenzer Schauspieler Olaf Schaeffer läd ein zu einer literarischen Soirée und rezitiert unter anderem das berühmte Gedicht „Weltende“ das am Beginn der Entwicklung expressionistischer Lyrik in Deutschland steht. Sein Schöpfer, Jakob von Hoddis (Hans Davidson, 1887-1942), der mit zunehmendem Alter an einer Psychose litt, hat einen direkten Bezug zu Sayn, da er am 29. September 1933 in die „Israelischen Heil- und Pflegeanstalten“ in Bendorf-Sayn eingewiesen wurde, neun Jahre dort verbrachte und dann, am 30. April 1942 deportiert und wahrscheinlich im Konzentrationslager Sobibór ermordet wurde.

Olaf Schaeffer steht als Moderator Dr. Thomas Anz, Professor für Neuere Deutsche Literatur an der Philipps-Universität Marburg,.zur Seite.


Musikalisch erwarten den Besucher drei herausragende Konzerte:

Am Tag des Offenen Denkmals am Sonntag, 14. September, 17.00 Uhr findet ein Kammerkonzert in Kooperation mit der benachbarten Villa Musica statt (Bernd Wambach am Klavier und Stipendiaten der Landesstiftung Villa Musica) mit Werken von Claude Debussy (1862-1918), Max Kowalski (1882-1956), Leos Janácek (1854-1928, Alexander Zemlinsky (1871-1942) und Maurice Ravel (1875-1937).

Am Samstag, 20. September 20.00 Uhr erfolgt ein Benefizkonzert des Freundeskreises, der Stiftung der Universität Koblenz und des Rotary-Länderausschusses Bulgarien. Das Junge Symphonieorchester der Universität Koblenz unter der Leitung des Universitätsmusikdirektors Ron-Dirk Entleutner bestreitet dieses Konzert mit den Solisten Rafael Klepsch (Klavier) und Andreas Stickel (Trompete). Der Erlös kommt bulgarischen Kinderkrankenhäusern zugute.

Ein Klavierrecital am Sonntag, 21. September, um 17:00 Uhr beschließt das Projekt „Welt in Schwarz und Weiß“. Hierfür konnte der weltbekannte Pianist Joseph Moog gewonnen werden. Der zweifache Preisträger des International Classical Music Award („Nachwuchskünstler des Jahres 2012“ und in der Kategorie „Solo Instrumentalist“ 2014) spielt Werke von Gabriel Fauré (1845-1924), Sergej Rachmaninow (1873-1943), Alexander Skriabin (1873-1915) und Claude Debussy (1862-1918).

„Welt in Schwarz und Weiß“ ist eine Veranstaltung der STIFTUNG SAYNER HÜTTE und der Stadt Bendorf/Rhein im Rahmen des rheinland-pfälzischen Kultursommers 2014. 

Schirmherrin: Doris Ahnen, Ministerin für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz.
Kooperationspartner: Mittelrhein Museum Koblenz, Villa Musica, Stiftung Universität in Koblenz, Freundeskreis der Universität in Koblenz, Freundeskreis Sayner Hütte e.V., Lotto Stiftung Rheinland-Pfalz, Medienpartner Rhein-Zeitung.

Das Projekt wurde konzipiert von Dr. Lieselotte Sauer-Kaulbach.

Stiftung Sayner Hütte, Schloss Sayn, 56170 Bendorf-Sayn, Tel. 02622 902 915

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www.freundeskreis-saynerhuette.de

Information und Ticketverkauf: TI der Stadt Bendorf und Rheinisches Eisenkunstguss-Museum, Tel. 02622 902 913

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