Regionale

Von Denise Steger
14.9.2015

regionale 

Dass anspruchsvolle zeitgenössische Kunst nicht nur in den großen Metropolen zu sehen -, sondern in den letzten Jahren zunehmend in kleinere Städte der mittelrheinischen Region eingezogen ist, stellt einen erfreulichen Trend in der Dezentralisierung des Kulturbetriebs dar. Die Stadt Remagen gibt hierfür ein hervorragendes Beispiel ab. Neben dem Arpmuseum Bahnhof Rolandseck und dem internationalen Kunsthandel der Werkhallen Oberwinter, haben sich eine Anzahl Galerien und Kunstinitiativen etabliert, die im Zuge der „Offenen Ateliers Rheinland-Pfalz und dem „Tag des offenen Denkmals“  zum „8. Kunstsalon im historischen Dreieck Remagen“ einluden. Darüber hinaus sind die Galerieausstellungen über jenes Wochenende hinaus auch in den nächsten Wochen präsent. Von den 16 unterschiedlichen Positionen seien hier 5 näher beschrieben. 


Seit Jahrzehnten fest etabliert ist die Galerie von Rosemarie Bassi/Europäisches Kulturzentrum Remagen; sie präsentiert eine Installation der Bonner Künstlerin, Begründerin und Leiterin des Frauenmuseums Bonn, Marianne Pitzen. Unter dem Titel „Frauen am Strom“, zeigt sie, adaptiert an den langgestreckten Galerie-Raum, „Ströme von Objekten, Figuren und Booten, in Weiß, Rot und Blau“, an den Wänden begleitet von farbigen Zeichnungen und außerdem fotografischen Paraphrasen von Horst Pitzen.

 

Marianne Pitzen: Damen in Rot und Weiß, Tonpapier und Kleister (© Galerie Rosemarie Bassi)

Mythisch-Archaisch-Matriarchalisches – tief im Rheinland verwurzelt, werden in den Gestalten der „Matronen“ – Skulpturen, aus Tonpapier und Kleister geformt – in die Gegenwart transponiert: Weiße Ordensfrauen, die seit Jahrhunderten auf der Insel Nonnenwerth ihr Kloster unterhalten, sich mit Kisten ihrer wertvollen Bücher in Booten vor dem Hochwasser retten, Rote Matronen, während der Römerzeit als weise Frauen und Göttinnen verehrt, Urmütter, die mit der vulkanischen Entstehung des Siebengebirges in Verbindung gebracht werden und deren Aufgabe es nach Marianne Pitzen ist „ihre Weisheit, die sie in ihren großen Hauben horten, in unsere Zeit herüberzuretten“, die Damen in Blau, die dem Kreis um die Rheinkönigin „Frau Ley“ – Felsen, die den Rheinlauf begleiten und in Form von Steinen im Fluss die Schifffahrt gefährlich machen, entstammen. Inwieweit allerdings die mit roter Farbe auf weißem Grund gemalten in primitivem Stil gehaltenen, in diesem Jahr entstandenen Zeichnungen (Reduktionen aus der in den 70er-Jahren entstandenen Werkserie „Neue Gesellschaft“?) in der Kunst des 21. Jahrhunderts noch überzeugen, bleibt fraglich.

Marianne Pitzen: Frauen am Strom, Ströme von Objekten, Figuren und Booten. Zeichnungen und Bilder
13. September – 2. November 2014
Galerie Rosemarie Bassi, Marktstraße 109, 53424 Remagen, Mi-So, 14-18 Uhr 
Tel. 02642 994266, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
www.galerie-rosemarie-bassi.eu


Das „Künstlerforum Remagen“ hat im Rahmen des deutschlandweiten  BBK-Ausstellungs-Projekts „zeitgleich 2014 – zeitzeichen“, den BBK Bonn Rhein-Sieg zu Gast. Unter dem Titel „Doppelpass Rozegranie“ zeigen 4 Künstler/Künstlerinnen aus Polen, mit Bezug zu Deutschland und 5 weitere aus Deutschland, die gebürtig aus Polen stammen, aufeinander bezogene Werke unterschiedlicher Techniken.

Ausstellung im Künstlerforum Remagen vom 7. September – 5. Oktober 2014, Sa-So 15-18 Uhr
Kirchstraße 3, 53424 Remagen
www.kuefo-remagen.de


Die kleine Galerie „Artspace K2“, geleitet von Christoph Noebel zeigt unter dem Titel „vernetzt – bewegt“ die Papierarbeiten zweier Kölner Künstlerinnen. Urtümlich, von bizarrer Schönheit erobern die aus handgeschöpftem Flachspapier entstandenen Objekte von Ingrid Golz den Raum. In die aus hellbrauner Flachspulpe geschöpften Papierbögen fügt die Künstlerin Peddigrohr oder Reisstroh ein, das während des Trocknens den Schrumpfungsprozess zu dreidimensionalen Körpern erheblich beeinflusst. Die daraus erwachsenden federleichten Gebilde zeigen immer wieder neue Varianten von Linienstrukturen, Faltungen und Formkontrasten. Der Schwebezustand der Objekte im Raum, begleitet vom Licht-Schatten-Spiel, eröffnet dem Betrachter ständig neue Sehweisen. „Aufbruch“ ist das zentrale Thema aller Arbeiten von Ingrid Golz: Aufbruch – Triebfeder des Lebens – an der Nahtstelle zwischen Stillstand und Bewegung, mit dem Mut zur Veränderung und Umbruch verbunden.

 

Ingrid Golz: "Bewegung als Tanz im Raum", Galerie Artspace K2, 2014 (Foto: KAM)

 

               

Ingrid Golz: Variation III´ - Serie IVa, 2013, handgeschöpftes Flachspapier mit eingefügtem Peddingrohr, im Raum hängend (Foto: KAM)
Ingrid Golz: „Spüren – Strömen“ 2012 (© Ingrid Golz)


Netze, Netzwerke, Vernetzungen - Verknüpfungen in Form filigraner Gespinste, ist das Thema von Renate Fischer. Ihre Netzgebilde greifen den Gedanken des „Einfangens, Auffangens, Verfangens“ auf.  Selbst hergestellte Netzformen ersetzen das Schöpfsieb des Papiermachers, Hölzer, Metall- und Gewebeteile werden in den Herstellungsprozess mit einbezogen und evozieren immer wieder neue Faserzusammenschlüsse und entsprechende Oberflächenstrukturen. Diese bekommen durch Lichteinfälle ihre besondere Qualität, entfalten in mehreren räumlichen Schichtungen in Schaukästen oder auch vor ein Fenster gehängt ihren zarten, bizarren Formenkanon. Im Spannungsfeld zwischen Zufall und Kalkül entstehen Gebilde von tiefer Harmonie, die durch die transluzide Farbigkeit gefestigt wird.

 

Renate Fischer, Gespinste, Galerie Artspace K“, 2014 (Foto: KAM)

 

                      

Renate Fischer, turquoise tension, 2014 (© Renate Fischer)
Renate Fischer, Netzgedanken, 2013 (© Renate Fischer)

 

                      

Renate Fischer: Ausschnitt aus Netzspiel Trilogie, 2012 (© Renate Fischer)
Renate Fischer: Ausschnitt Gespinst, Serie III, 2013 (© Renate Fischer)

 

„vernetzt – bewegt“, 13. September bis 29. Oktober 2014, Mi-Sa 15 – 18 Uhr
Artspace K2, Kirchstraße 2, 53424 Remagen, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

www.artspace-k2.com
www.ingrid-golz.de
www.renate-fischer.net

 

„LACKs freed from the couch“ – die Ausstellung des Ludwigshafener Künstlers Günter Hutter in der von Herbert Höcky und Irene Eigenbrodt geleiteten Galerie „kunstraum remagen mitte“ führt den Betrachter in die Welt konstruktiv-konkreter Plastik. „Lack“ – Bezeichnung eines quadratischen Couch- oder Beistelltischs, ist ein standartisiertes Industrieprodukt, einer der typischen Bausätze von Ikea. Der Künstler benutzt seit 2012 die Elemente der Tischplatte und Tischbeine zur Herstellung seiner streng organisierten Objekte und Raumplastiken. Sein formales Grundelement ist der Quader, die Schräge ein wichtiges Formprinzip. Schwarz Weiß und Rot sind die Farben, die sich kontrastierend im Wechsel befinden.

 

Günter Hutter: Lacks, kunstraum remagen mitte, 2014 (Foto: Irene Eigenbrodt)

Die kubischen Bauelemente werden sowohl im Originalzustand als auch durch Sägeschnitte in Quaderfragmente zerteilt, und reichen in ihrer Reorganisation im Wechselspiel von Fläche und Raum von flachen, der Malerei sich annähernden Wandreliefs bis zu raumgreifenden Plastiken. Günter Hutters Arbeit ist u.a. ein Beispiel für jene Art von Kunst, in der ein Alltagsgegenstand seiner ursprünglichen Bestimmung entzogen und damit die gängige Erwartungshaltung des Betrachters in Frage gestellt wird.

LACKs freed from the couch, 30. August bis 19. Oktober 2014, 
kunstraum remagen mitte, Bachstraße 9, 53424 Remagen, Tel. 0173 8530553, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
www.kunstraum-remagen.de

 

Die Galeristin Angelika Ehrhardt--Marschall, Leiterin des „Kunsthaus Rheinlicht“ schätzt sich besonders glücklich, die Werke des international erfolgreichen, in der Türkei geborenen und in Köln lebenden Malers Ali Zülfikar ausstellen zu können – hierzu gehören eine große Anzahl meisterhafter Porträtzeichnungen in großem Format auf Leinwand und Büttenpapier sowie Malereien mit traditionell türkischer, auf Pflanzenbasis beruhender Wollfarbe, deren Herstellungsprozess Ali Zülfikar weiterentwickelte und deren besondere Qualität die Materialität und die Struktur seiner Werke bestimmt.

Das höchste Ziel eines Porträtisten, die Seele, das Leben eines Menschen zu verstehen, zu erarbeiten und sichtbar zu machen, gelingt dem Künstler auf ganz besondere Weise. Vor allem die in erdfarbenen Tönen gehaltenen Bildnisse alter Menschen entwickeln unter seiner Hand eine Intensität und Ausdrucksstärke, die den Betrachter emotional berühren. Diese Menschen strahlen trotz oder gerade aufgrund ihrer Betagtheit Ruhe, Gelassenheit, Weisheit und Würde aus; sie blicken auf die Erfahrungen eines Daseins zurück, was sich in ihren Falten, den rissigen Strukturen der Haut und all ihren Einkerbungen äußert, doch ihre Blicke - teils wach und ausgesprochen lebendig, teils meditativ - und ihre Körperhaltungen, die in einer harmonischen Strichführung eingebunden sind, weisen auf eine Erhabenheit, die zu einer neuen, positiven Interpretation des Themas „Alter“ führt.

                                

Blick in die Ausstellung mit Werken von Ali Zülfikar und Eberhard Linke (Fotos: Angelika Ehrhardt-Marschall)

        

Ali Zülfikar, Porträt einer alten Frau, Zeichnungen auf Leinwand, Details (Foto: Angelika Ehrhardt-Marschall)


Ali Zülfikar ist ein kaum erreichter Meister seines Fachs – auch in seinen Gemälden entwickelt er detaillierte Strukturen, die seinen Darstellungen auf Weitsicht eine starke Präsenz verleihen, und vom Nahen betrachtet die intensive technische Arbeit, im Spannungsverhältnis von Raumtiefe und Proportionen, in den Schichtungen der Farben, ihrem Aufbrechen und den entsprechenden reliefartige Wirkungen, hervor scheinen lassen.

Die Ausstellung wird ergänzt durch eine Reihe kleinerer Tonskulpturen des Bildhauers Eberhard Linke, der von 1974-2002 als Professor an der Fachhochschule Mainz lehrte und 2009 sein Lebenswerk in die „Eberhard und Barbara Linke Stiftung“ überführt hat. 

„Crossing the Bridge“, 14. September – 12. Oktober 2014
Kunsthaus Rheinlicht, Waldburgstraße 36, 53424 Remagen, Tel. 02642 993 3956
http://kunsthausrheinlicht.de

Copyright