Restaurierung der Wandgemälde in der Linzer Martinskirche

Von Denise Steger
13.5.2014

Martinskirche   

Die kath. Pfarrkirche St. Martin in Linz am Rhein, die in diesem Jahr ihr 800-jähriges Bestehen feiert, besitzt einen wertvollen Bestand an Wandmalereien aus der Mitte des 13. bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Sowohl das umfangreiche Heiligenprogramm im Mittelschiff als auch die Darstellung des Weihnachtsgeschehens auf der Orgelempore haben seit ihrer Aufdeckung eine regelrechte „Restaurierungsodyssee“ hinter sich, so dass es dringend erforderlich wurde, den Originalbestand zu retten. Mit großer finanzieller Anstrengung des ortsansässigen Fördervereins, der „Stiftung der Stadtsparkasse Linz, der Stadt Linz“ und der „Deutschen Stiftung Denkmalschutz“, eine weitere Finazierungszusage liegt vom Bistum Trier vor, konnte das Vorhaben, das im Ganzen ca. 250.000 Euro kosten werden wird, im letzten November in einer ersten Etappe in Angriff genommen werden. 

…Hat beim Abkratzen des alten Verputzes mehrere Gemälde mit theilweisen Inschriften in altdeutscher Sprache zum Vorschein gebracht…“. Diese Mitteilung der Königlichen Regierung vom 8.9.1855 an den Linzer Bürgermeister Hubaleck betraf die Arbeit des Malers und Handwerkers Hubert Köhler, der bei seinen Reparaturarbeiten in der Martinskirche die unter dem Putz liegenden Wandgemälde im Mittelschiff zufällig entdeckt hatte. (LHA Koblenz, Best.441/ Nr. 15320)

In der sich anschließenden Untersuchung wird den aufgefundenen Wandmalereien großer geschichtlicher Wert beigemessen, aber der für das Gutachten verantwortliche Kreisbaumeister Nell kommt zu dem Ergebnis: „Die…Malereien sind mit Wasserfarbe aufgetragen und lassen sich mit der Hand durch etwas Reiben leicht verwischen, wodurch es auch wohl gekommen sein mag, daß dieselben so zerstört sind, so daß deren Restauration vielleicht mehr als einen neue Malerei kosten wird. Es sind einige bildliche Darstellungen vorhanden, die ein guter Maler ausgeführt haben muß, jedoch so verdorben, daß sich die ganzen Umrisse und Zusammenstellung nur mühsam herausfinden lassen.“(LHA Koblenz, Best. 441/ Nr. 15320, Akte v. 24. U. 26.9.1855)

Dies sagt Alles über das Schicksal der Ausmalung: Mit der Aufdeckung der auf Wasserbasis und nicht al fresco in der Mitte des 13. Jahrhunderts aufgetragenen Wandgemälde nahm die weitere Zerstörung ihren Lauf, die durch vier große Restaurierungskampagnen 1890-91, 1927-31, 1957-58 und 1988-89 nicht aufgehalten werden konnte.

In einem ersten Restaurierungsversuch 1860-61 wurden die Bilder so verunstaltet, dass die Arbeit schon seinerzeit Unmut erregte. 1890 entschied man sich, unter Einbezug der noch vorhandenen figürlichen Darstellungen zu einer kompletten Neuausmalung, die unter Hugo Büschgens bis 1891 ausgeführt wurde.

   

  

Pausen der Wandgemälde im Mittelschiff von Bardenhewer 1897, Hl. Jakobus, hl. Ursula, hl. Margaretha, hl. Katharina und hl. Barbara, Rheinisches Landesamt für Denkmalpflege, Mainz.

Die Unzulänglichkeiten in der Verwendung der Malmittel führten aber einerseits schnell zum Abplatzen der Farbe und andererseits zur Vergilbung des Untergrunds.

1927 entschloss man sich zur kompletten Entfernung der 1890/91 aufgetragenen Malereien und zu dem Versuch, möglichst viel von der noch vorhandenen Originalsubstanz zu retten, bzw. zu rekonstruieren.
1957-58 erfolgte ein erneutes Restaurierungsvorhaben; jener Restaurator, der bereits in den 20er Jahren die Arbeiten ausführte, kommt jetzt zu dem vernichtenden Urteil: „…was wir heute vor uns sehen ist höchstens der zweite oder dritte Aufguss des Originals. Ich zweifle nicht, daß es einmal bedeutende Gemälde waren, das läßt sich noch an der Zeichnung und Komposition erahnen, aber von der Handschrift des Künstlers, welche ihnen erst Bedeutung und Leben verliehen hat, ist so gut wir nichts mehr vorhanden…Unter diesen Umständen würde ich fotografische Aufnahmen davon machen und sie dann zustreichen. Mag das manchem als Ketzerei wider den Geist der Denkmalpflege erscheinen, so hat dieser Vorschlag vielleicht noch den Vorzug einer ehrlichen Entscheidung auf Grund des doch nicht mehr zu ändernden beklagenswerten Zustands… Denn wo nichts mehr ist, hat nicht nur der Kaiser, sondern auch der Restaurator das Recht verloren – immer vorausgesetzt, daß er es zugibt.“(Pfarrarchiv Linz K 15, II, 1.6, 12.8.1957)
Der 1958 ausgeführte Restaurierungsauftrag ging an den Maler Otto Kienzle aus Darmstadt, dessen Urteil über den Bestand weniger hoffnungslos ausfiel. In seiner Rechnung vom 17. Mai 1958 schreibt Kienzle: „Von den Malereien wurden alle späteren Übermalungen restlos entfernt und der noch größtenteils erhaltene Originalbestand klargelegt. Nach vorgenommener Reinigung und Sicherung des Zustands wurden die Fehlstellen und Schäden retuschiert ohne eigentliche Ergänzungen vorzunehmen.“ (Pfarrarchiv Linz, K15, II; 1.6, 17.5.1958)

Nach dem Untersuchungsbericht durch die Restaurierungswerkstatt des Landesamtes für Denkmalpflege vom 23.6.1988 ist das Schadensbild gravierend, es reicht von Malgrundschäden, Oberflächenverschmutzung, Ablösung kleinerer Teile, Salzausblühungen, partieller Schimmelbildung bis hin zu Schnittverletzungen durch die damaligen Freilegungsmaßnahmen.

Die Darstellungen umfassen ein Heiligenprogramm, mit dem die Wände über den Pfeilerarkaden bis zum Emporengeschoss in 2 m Höhe versehen sind. Auf der Nordseite, von Westen nach Osten gelesen, vier weibliche Heilige: Im Westjoch die hl. Ursula, von einer Anzahl Jungfrauen und einer kleinen Stifterfigur begleitet, im mittleren Joch die hl. Margareta, im Ostjoch die hl. Katharina sowie eine nicht näher gekennzeichnete Heilige mit Buch und Palmzweig  - vermutlich die hl. Barbara, da sie mit den drei anderen zu den „virginis capitalis“ zählt, die häufig zusammen dargestellt werden. Auf der Südwand finden sich drei männliche Heilige, im Westjoch der hl. Jakobus von Compostela, der ein Pilgerpaar krönt, flankiert von vier mit Pilgern begangenen Wegen, im mittleren Joch der hl. Petrus und im östlichen Joch der hl. Martin, Schutzpatron der Kirche mit einem stilisierten Kirchenmodell zu Füßen.

 

Mittelschiff, Pilgerkrönung, 2005, Foto: Markus Muth

Den lebensgroßen frontal ausgerichteten schlanken Gestalten, die sich unmittelbar über den Kämpferplatten der Pfeiler innerhalb gemalter Aedikulen erheben, werden, mit Ausnahme der Jakobus-Szene, adorierende Engel zugeordnet, die in ihren Händen wechselweise Weihrauchfass, Kerze, Kreuzstab, Palmzweig und Krone darbringen. Besondere Aufmerksamkeit kommt aufgrund seiner Seltenheit und narrativen Ausführlichkeit der Darstellung der Pilgerkrönung durch den hl. Jakobus zu. Doch dieses Bild ist aus Kostengründen noch nicht Gegenstand der aktuellen Restaurierung

 

Mittelschiff, Hl. Margareta mit adorierenden Engeln, 2005, Foto: Markus Muth 

Der Focus des derzeitigen Restaurierungsabschnitts liegt auf der Darstellung der hl. Margareta und der hl. Katharina, die von Übermalungen bereits befreit, und der Grund durch Kalk gefestigt wurde. Zurzeit werden minutiöse gepunktete Retuschen in Aquarell ausgeführt. Im Auge des Betrachters setzen sich diese Retuschen zu einem Gesamtbild zusammen, bleiben aber denkmalhistorisch von der Originalsubstanz unterscheidbar.

 
Mittelschiff, Engel, der hl. Margareta zugeordnet – freigelegte Originalsubstanz und Retusche, 2014, Foto: Denise Steger

Nicht ganz so problematisch stellt sich die Situation bei dem großen, zu Beginn des 16. Jahrhunderts entstandenen Wandbilds über der Orgelempore dar, das bis zur 800-Jahr-Feier der Kirche im Juni 2014 wohl komplett konserviert und retuschiert sein wird.

Das in drei horizontale Zonen eingeteilte Wandbild erhebt sich mit gut 5m Höhe und 4.50m Breite über der Westempore bis in den Gewölbescheitel. Es zeigt die vier Szenen „Verkündigung an Maria“, „Geburt Christi“, „Verkündigung an die Hirten“ und „Anbetung der Könige“ sowie im Zentrum eine Stifterfamilie.
„Auf der Wand, an welcher die Orgel angebaut ist, [haben wir] Spuren von alten Gemälden gefunden. Ende der letzten Woche hat der hier beschäftigte Restaurator etwas dort freigelegt und festgestellt, daß die ganze Wand mit schönen gotischen Figuren bemalt ist. Ich möchte nun mit ihrer Zustimmung den Herren vorschlagen, die Orgel zu versetzen und die Gemälde wieder herzustellen“, heißt es in einem Schreiben des Linzer Pfarrers am 16.11.1927. Schon am 25.11. kann die mit der Aufdeckung beauftragte Fa Mezger aus Überlingen über die Freilegung und den „sehr guten“ Erhaltungszustand berichten.(Pfarrarchiv Linz, K14, II, 1.1, 16.11.1927) Zwei Jahre später richtet die Linzer Pfarrgemeinde an den Landeskonservator eine Bitte um Restaurierung des Gemäldes und laut Reisebericht des Provinzialkonservators vom 29.11.1929 wurde das Bild dann gereinigt, gefestigt und kleinere Retuschen vorgenommen (Pfarrarchiv Linz, K 14, II, 1.3, 29.11.1929).

 

Westempore, Detail: Anbetung der Könige, Aufnahme 2005, Foto: Denise Steger

Der Erhaltungszustand des Bildes hat sich aber in den vergangenen Jahrzehnten erheblich verschlechtert, so dass eine erneute Restaurierung dringend notwendig wurde. Eine Übermalung aus den 50er-Jahren wurde komplett abgenommen, die aus den 30er Jahren partiell stehen gelassen, um das Gesamtbild nicht ganz zu verlieren. Danach erfolgte eine Reinigung und Festigung. Auf Rekonstruktionen wurde, mit Ausnahme von Linienergänzung, die eindeutig waren, verzichtet.

 

Westempore, Detail: Maria aus der Geburt Christi, nach Freilegung und Retusche 2014, Foto: Denise Steger

Der Trierer Restaurator Georg Wechsler und sein Team sind zurzeit mit den Retuschen, die ebenfalls in kleinen Strichen und Punkten mit Aquarell ausgeführt wird, beschäftigt.

Die Fortsetzung der Restaurierung im Mittelschiff wird, sofern die Finanzierung gesichert ist, im kommenden Winter 2014/2015 fortgesetzt.

Einen ausführliche Beschreibung aller in der Kirche noch vorhandenen Wandgemälde:
Steger, Denise, 800 Jahre Katholische Pfarrkirche St. Martin im Spiegel der Kunst, Förderverein St. Martin-Kirche Linz/Rhein e.V., Linz 2006, S. 21-48.

Aktuelle Termine: www.linz-kirche-sankt-martin.de

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