Neuzugänge im Roentgen-Museum Neuwied

Von Bernd Willscheid
8.6.2014

Roentgen-Museum 

Das Roentgen-Museum in Neuwied mit seiner weltweit einmaligen Sammlung von Roentgenmöbeln und Kinzinguhren konnte in jüngster Zeit drei kostbare und beeindruckende Neuzugänge verzeichnen, die in diesem Beitrag vorgestellt werden. Pultschreibkommode, um 1755-60, Abraham Roentgen, Neuwied, Mahagoni furniert und massiv, Kirschbaum massiv, Eiche, vergoldete Bronzen und Messingprofile, Dauerleihgabe des Förderkreises der Abraham und David Roentgen Stiftung. Bodenstanduhr, 1769, Peter Kinzing, Neuwied, Signatur am Ziffernring: Kintzing à Neuwied, Stempelsignatur auf der vorderen Platine: P.K.NW.NO:10./1769. Dauerleihgabe aus Privatbesitz. Januarius Zick (1730-1797), Die Befreiung des hl. Petrus aus dem Kerker, 1780er Jahre, Öl auf Leinwand, Dauerleihgabe aus Privatbesitz.

Pultschreibkommode, um 1755-60

Abraham Roentgen, Neuwied

Mahagoni furniert und massiv, Kirschbaum massiv, Eiche, vergoldete Bronzen und Messingprofile

Dauerleihgabe des Förderkreises der Abraham und David Roentgen Stiftung

„Wer einen künstlichen Schreibtisch von Röntgen gesehen hat, wo mit einem Zuge viele Federn und Ressorts in Bewegung kommen, Pult und Schreibzeug, Brief- und Geldfächer sich auf einmal oder kurz nacheinander entwickeln, der wird sich eine Vorstellung machen können, wie sich jener Palast entfaltete …“ (Johann Wolfgang von Goethe in „Die neue Melusine“)

Schreibmöbel der Manufaktur von Abraham und David Roentgen im Neuwied des 18. Jahrhunderts waren sehr beliebt an Europas Fürstenhöfen. Ihr architektonischer Aufbau mit teils aus der Antike entlehnten Details und ihre technischen Raffinessen wie Geheimfächer und Geheimschublade verwundern nicht, dass Goethe sie mit „Zauberpalästen“ vergleicht.

Zu damaliger Zeit, der Zeit des Rokoko und des Klassizismus, wurde korrespondiert wie nie zuvor. Bei jeder Gelegenheit teilte man sich im gehobenen Bürgertum und beim Adel mit Vorliebe durch einen Brief mit. Schreibmöbel zählten so in jedem „besseren“ Haus zur Ausstattung der Bibliotheken und Schreibzimmer, wollte man doch auch demonstrieren, dass man des Schreibens mächtig ist. Für die Roentgen-Werkstatt war das Schreibmöbel mit seiner raffinierten Inneneinrichtung der interessanteste und wichtigste Möbeltyp.

Vor wenigen Wochen konnte für das Neuwieder Roentgen-Museum ein weiteres Schreibmöbel als Neuzugang verzeichnet werden: Eine Pultschreibkommode von Abraham Roentgen aus der Zeit um 1755-60, die zu den frühen Möbeln der Neuwieder Werkstatt zählt und noch sehr an englische Vorbilder angelehnt ist. Abraham Roentgen hatte sich nach der Lehre bei seinem Vater auf Wanderschaft nach Holland und England begeben. Während seines mehrjährigen Aufenthaltes in London arbeitete er bei dortigen Kabinettmachern. Als Vorlage für dieses Möbel kann sicher die Zeichnung eines „Commode Table“ bezeichnet werden, die der bekannte englische Kabinettmacher Thomas Chippendale 1754 in seinem „The Gentleman & Cabinet-Maker’s Director“ veröffentlichte.

Qualitätsvolles Mahagonifurnier und prächtige Bronzebeschläge kennzeichnen die Schreibkommode als eines der ersten Prunkmöbel von Roentgen. Erworben wurde diese Kostbarkeit vom Förderkreis der Abraham und David Roentgen-Stiftung mit Unterstützung der Kulturstiftung der Länder, der Stiftung Rheinland-Pfalz für Kultur, der Kulturstiftung der Sparkasse Neuwied, der Sparkasse Neuwied, der Volks- und Raiffeisenbank Neuwied-Linz eG und des Landkreises Neuwied.

Roentgen-Museum

 

 

Bodenstanduhr, 1769

Peter Kinzing, Neuwied

Signatur am Ziffernring: Kintzing à Neuwied

Stempelsignatur auf der vorderen Platine: P.K.NW.NO:10. / 1769.

Dauerleihgabe aus Privatbesitz

                                           

Eine Dauerleihgabe aus Privatbesitz, die kürzlich dem Roentgen-Museum übergeben wurde, ist eine fast 2,60 m hohe, für ein Schloss bzw. herrschaftliches Gebäude gefertigte Bodenstanduhr der Neuwieder Uhrmacherwerkstatt Kinzing. Mit ihrem prächtigen, mit Nussbaumwurzelholz furnierten Gehäuse hebt sie sich deutlich von den frühen Kinzinguhren ab, die eher in schlichte Gehäuse für das gehobene Neuwieder Bürgertum oder für reiche Bauernfamilien im Westerwald gefertigt wurden. Es ist daher nicht auszuschließen, dass es sich hier um ein Gehäuse aus der Neuwieder Roentgen-Werkstatt handelt. Eine genaue Untersuchung steht allerdings noch an.

Bereits in einer Werbeanzeige aus dem Jahre 1754 für die Frankfurter Messe führt Abraham Roentgen neben Kommoden, Schatullen, Stühlen, Sesseln, Tischen auch Uhrengehäuse auf. Allerdings ist ein eindeutig nachgewiesenes Uhrengehäuse aus der frühen Roentgen-Werkstatt nicht bekannt. Erst in den frühen 1770er Jahren werden Bodenstanduhren durch Signaturen am Zifferblatt oder im Uhrwerk als Gemeinschaftswerk von Roentgen und Kinzing nachgewiesen.

Die Signatur Kintzing à Neuwied auf dem Schild am Ziffernring weist noch den alten Familiennamen mit „tz“ auf, der den beiden ersten von vier Generationen der Familie Kinzing in Neuwied, Johannes und seinem Sohn Christian, zugeschrieben wird. Die Buchstaben P.K.NW.NO:10. / 1769. als Stempelsignatur auf der vorderen Platine im Uhrwerk steht für die dritte Generation, Peter Kinzing. Da die Uhr nach dieser Signatur 1769 gefertigt wurde, war Peter Kinzing zu diesem Zeitpunkt 24 Jahre alt.

Das Uhrwerk besteht aus einem Achttage-Gehwerk mit Messingplatinen, rückführender Ankerhemmung mit Massivanker sowie mit eisernem Pendelstab an einer Fadenaufhängung. Der Aufzug erfolgt über Darmsaiten und Trommel sowie zwei Bleigewichten mit eingesetzter Umlenkrolle. Das Rechenschlagwerk erfolgt auf großer Bronzeglocke zur halben und vollen Stunde. Weiter ist eine Repetition (Wiederholungsschlag) vorhanden.

Der Kopf der Bodenstanduhr entspricht den typischen Formen der Kinzinguhren. Das prächtige Zifferblatt besteht aus einer Trägerplatte aus poliertem Messing mit einem Ziffernring aus Zinn mit gravierten, schwarz ausgelegten römischen Stunden- und arabischen 5-Minuten-Zahlen. Die Zeiger bestehen aus Stahl. Vier Zinnappliken schmücken die Ecken der Trägerplatte. Ein Kalenderfenster sowie die Mondphasen befinden sich oberhalb des Ziffernrings.

Die prachtvolle Standuhr befand sich im Besitz der Markgrafen und Großherzöge von Baden. Es ist anzunehmen, dass sie vom Haus Baden direkt von Kinzing oder Roentgen erworben wurde, zählte doch die badische Markgräfin Caroline Luise zu den wichtigen Kunden Abraham Roentgens. 1995 wurde die Uhr in der bekannten Baden-Badener Auktion von Sotheby’s versteigert und gelangte neben zwei Möbeln von Abraham Roentgen, die sich heute ebenfalls als Dauerleihgaben im Roentgen-Museum befinden, nach Neuwied zurück.


Januarius Zick (1730-1797)

Die Befreiung des hl. Petrus aus dem Kerker, 1780er Jahre

Öl auf Leinwand

Dauerleihgabe aus Privatbesitz

         

Ein kostbares Gemälde von Januarius Zick, einem der bedeutendsten deutschen Rokokomaler, mit einer Größe von 41 x 32 cm gelangte in jüngster Zeit über den Kunsthandel in einen Privatbesitz, dessen Eigentümer es dem Roentgen-Museum nun als Dauerleihgabe überlässt.

Januarius Zick lebte als Hofmaler des Trierer Kurfürsten und Erzbischofs in dessen Residenz Ehrenbreitstein. Er fertigte zahlreiche Gemälde, auch Fresken für Kirchen und Schlösser, so für den Diana-Saal des kurfürstlichen Jagd- und Lustschlosses in (Neuwied-)Engers.Zu den Themen seiner Werke zählen religiöse Darstellungen, mythologische Szenen, Allegorien, antike Historie, aber auch Genre und Portraits.

Das Gemälde für das Roentgen-Museum zeigt die „Befreiung des hl. Petrus aus dem Kerker“. Der von König Herodes gefangengesetzte Petrus sitzt im Kerker und wird in der Nacht von einem Engel befreit. Erstaunt blickt Petrus auf den hinter ihm auf einer Wolke schwebenden Engel, der nach links zum Ausgang weist. Zwei schlafende Wächter sind rechts im Vordergrund und links hinter Petrus zu erkennen. Die Signatur des Künstlers befindet sich in kleiner Schrift auf dem Stein unter dem sitzenden Petrus: j. Zick inv et p.

Das Gemälde befand sich bis zu seinem Tode im Besitz von Januarius Zick. Es zählte zum Nachlass des Künstlers und wurde mit weiteren Werken von seiner Witwe 1801 in den Jülich- und Bergischen Wöchentlichen Nachrichten zum Verkauf angeboten. Später gelangte es in Düsseldorfer und Kölner Sammlungen.

Für das Roentgen-Museum ist Januarius Zick von Bedeutung, war er doch einer der bekanntesten Mitarbeiter der Roentgen-Manufaktur. 1771 erstmals nachgewiesen, lieferte er nach Neuwied Entwürfe für die einzigartigen Einlegearbeiten (Marketerien) der Roentgens. So heißt es in einem zeitgenössischen Text zur Einlegekunst in Holz aus dem Jahre 1780: „Der gute Erfolg, die hierüber empfundene Freude des Künstlers, und der edle Antheil des Hrn. Röndtchen [Roentgen] an jedem Fortschritt in dieser Kunst, ließen es nicht hierbey bewenden, sondern der letztere besorgte gute Zeichnungen von Herrn Zick in Koblenz, voll von Figuren.“ Roentgens größtes Werk nach Zicks Entwürfen waren die 1779 gefertigten Großmarketerietafeln mit den antiken Szenen „Die Versöhnung der Sabiner und Römer“ und „Die Großmut des Scipio“. Diese fast vier Meter hohen und breiten Tafeln - eine Art Gobelin in Holz – lieferte David Roentgen nach Brüssel für das Audienzzimmer im Palais des Statthalters der österreichischen Niederlande, Prinz Karl Alexander von Lothringen. Die Tafeln befinden sich heute im Österreichischen Museum für angewandte Kunst in Wien.

Literatur:

Achim Stiegel, Abraham Roentgen – „englischer Kabinettmacher“ zu Neuwied – eine Studie zu den frühen Arbeiten der Roentgen-Werkstatt. Unveröffentlichte Arbeit, o. J.

Roentgen-Museum (Kreismuseum) Neuwied, Kinzing & Co. Innovative Uhren aus der Provinz. Ausstellungskatalog, Bonn 2003, S. 99 (Beschreibung von Ian Fowler).

Josef Straßer, Januarius Zick, 1730-1797, Gemälde-Graphik-Fresken. Weißenhorn/Bayern 1994, S. 402.

www.roentgen-museum-neuwied.de

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