PAErsche - Performance im Rheinland

Von Helmut Lorscheid
1.12.2013

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In der Kunstszene geht es zu, wie in der Mode. Wenn etwas modern ist, möchten es alle haben. So ist es derzeit mit Performance: Sie ist plötzlich hipp. Performance-Künstler werden mit Kunstpreisen ausgezeichnet. Das ist schön so, bleibt die Frage, wie lange diese Wertschätzung anhält. Im Moment jedenfalls, ist Performance „angesagt“. An vielen Kunstorten gehört sie derzeit zur Vernissage wie Sekt und Häppchen. Aber auch ohne diesen Modetrend wäre es sinnvoll und wichtig, einen Blick auf die regionale Performancelandschaft zu werfen und damit auf PAErsche, das Aktionslabor NRW. Diese Köln/Bonn/Essener Künstlergruppe um den erfahrenen, seit Jahrzehnten international tätigen Performance-Künstler Bois Nieslony, sorgt seit gut zwei Jahren dafür, dass Performance zumindest an den drei Standorten Köln, Bonn und Essen zum Kunstalltag gehört.

Gut ein Dutzend Künstler gehören zu PAErsche, wobei Nieslony und Evamaria Schaller (Köln), Marita Bullmann (Essen), Rolf Hinterecker (Köln) und Karin Meiner (Andernach) das Organisationsteam, also den „inneren Kreis“ von PAErsche bilden. Der Name, dessen Bedeutung hier nicht weiter erklärt werden soll, ist aus einer Bierlaune heraus entstanden, war zunächst als Provisorium gedacht, hat sich aber inzwischen als Marke in der Kunstszene etabliert. Alle paar Wochen gibt es Performance in der Kölner Orangerie, im Maschinenhaus in Essen oder im Künstlerforum in Bonn.

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Aber auch in den Innenstädten ist PAErsche öfters aktiv, im Sommer 2013 zum Beispiel auf dem Martplatz in Ahrweiler und in Andernach. Dorthin, in ihre Heimatregion, hatte Karin Meiner geladen. Besonders das Kölner Duo „Katze und Krieg“ sorgte mit ihrer Persiflage auf den, den Andernachern eher fremden „Straßenstrich“ für Aufsehen. Die beiden jungen Künstlerinnen irritierten die Zuschauer mit einem Straßentheater, in dem sie stereotype Verhaltensweisen vom Straßenstrich nach empfanden. Das sorgte für Aufsehen und Irritationen.

Ähnliches Aufsehen erregte PAErsche auch am Kölner Rheinufer, wo die Künstler sich unter die Touristen mischten und mitten im Publikum agierten.

Andere Ausflüge der Künstlergruppe, wie etwa ein kaum öffentlich kommunizierter Spaziergang am Rheinufer zwischen Köln und Bonn, fanden eher außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung statt. Auch bei den festen Terminen – etwa in der Orangerie in Köln oder dem Künstlerforum in Bonn ist oft noch viel Platz für weitere Gäste.

Dabei lohnt sich jeder dieser Abende, an denen oft internationale Künstler zu Gast sind, so etwa, als Performance-Künstler von den Philippinen ihre Performance zeigten.

http://www.paersche.org/content/P101013_KunstdBegV.html

Internationalität ist ein ganz wichtiger Aspekt. Künstler aus allen Teilen der Welt waren und sind immer wieder zu Gast bei PAErsche. Denn PAErsche will, so formuliert es Nieslony: „Der Performance Art eine würdige Plattform geben, um Auftritte und internationale Kontakte zu generieren; Networking – Knoten für diverse Netzwerke sein.“

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Damit entspricht PAErsche etwa dem, was seit Jahren auch der Performer-Stammtisch in Berlin praktiziert – eine Anlaufstelle für internationale Performance-Künstler zu sein. Nur logisch, dass zwischen den Gruppen in den verschiedenen Städten Kontakte und Austausch bestehen – So war der Performer Stammtisch Anfang November 2013 zu Gast in Köln.

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Für Waltraud Caspari-Philips ist Performance eines ihrer wesentlichen künstlerischen Ausdrucksmittel: „Doch, das besondere an der Performance ist das Verbleiben im Moment, das Vergängliche und der direkte Kontakt mit dem Zuschauer. Es wird eine Stimmung erzeugt, ein besonderer Raum geschaffen, geprägt durch die Wechselreaktion zwischen Künstlerin und Zuschauer.“ Sie bedauert, dass Performance bei den meisten Kunstinteressenten noch immer auf wenig Verständnis stößt.“ Sie werde“, so Caspari-Philips, „höchstens als `Beiwerk oder Auflockerung´ zu einer Vernissage geduldet. Performance gilt als anstrengend, langweilig.“ Die Bonner Künstlerin setzt – wie viele Performancekünstler – ihren Körper voll ein. „Ich mache Performances wegen des direkten Kontaktes mit dem Publikum und dem Einsatz aller Sinne, des ganzen Körpers – ich präsentiere mich mit meiner ganzen Person, mit der Gesamtheit meines Ichs dem Publikum.“

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Für Evamaria Schaller, obwohl noch jung an Jahren, bereits mit einigen Kunstpreisen für ihre Performance ausgezeichnet, beantwortet die Frage, warum sie Performance mache: „... weil es eine künstlerische Ausdrucksart ist, die sehr unmittelbar funktioniert. Sie spricht direkt, auch wenn es manchmal unverständlich ist, was für Bilder erzeugt werden, warum etwas gemacht wird, etc.; jedoch ist sie ein Mittel zu berühren, zu begegnen, unmittelbar. Der Moment des Scheiterns ist immer präsent..., was auch eine große Spannung aufbaut. Und das nicht Geprobte, Theaterartige, Inszenierte, sondern einfach im Moment anwesend sein und sich führen lassen, das ist etwas, was total spannend ist. Außerdem ist es auch das Miteinander-Agieren, besonders mit PAErsche...“. Zwar sei die Organisationsarbeit hart und überfordere oft die damit befassten Aktivisten, aber diese Arbeit zahle sich immer aus. „Es ist eine der wenigen Kunst-Richtungen, wo die Konkurrenz nicht so einen großen Part übernimmt, sondern das „sich Austauschen“ einen höheren Stellenwert einnimmt... Was ich auch total gut finde.“

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„Wegen Bezahlung würde ich nie Performance machen, da es fast nie wirklich bezahlt wird. Es ist ein Gefühl und ein sich Sehnen nach Momenten des Austauschs.“

Den Stellenwert der Performance in der Kunst sehen einige der Künstler nach wie vor als „eher schwierig“. Dabei, so Evamaria Schaller erlebe sie gerade einen Hype. „Jede/r möchte plötzlich Performance machen, alles wird Performance genannt, was auch mit Marketingstrategien etc. zu tun hat. Viele glauben zu wissen, was Performance ist und verbreiten ihre Lehren, aber was ist es wirklich? Ich glaube, die Begegnung ist es, die Performance-Kunst so reich an Diversität macht und, das Miterleben, ohne dass eine Situation nochmals neu erstellt werden kann und will. Das Handeln, das wir vollführen - ein alltägliches Handeln das sich mit dem Raum, dem Publikum, mit dem eigenen Körper auseinandersetzt, das ist etwas, was auch in der Kunstszene als spannend empfunden wird. Jedoch kann es nicht "verkauft" werden, was nach wie vor für die Kunstszene besonders den Markt einen höheren Stellenwert hat. Man könnte einfach Honorare zahlen, für Momente, die einzigartig sind, die vielleicht dokumentiert werden, doch das Erlebnis zählt vorrangig! Naja also schwierig - doch alle wollen‘s gerade machen, weil es "hipp" ist! Nur frage ich mich, warum wollt ihr es wirklich machen?

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Die Frage, ob Künstler von Performance leben können, beantwortet der seit Jahren international tätige Performance-Künstler Boris Nieslony ehrlich: „Es gibt KünstlerInnen, die davon leben können, aber sonst eher nicht.“ Doch für ihn ist dies „eine sekundäre Frage. Es geht darum die Performancekunst in das kulturelle Bild zu verankern.“

Dafür sollten sich auch unsere Kulturpolitiker einsetzen – denn Performance sollte genau so selbstverständlich bezahlt werden, wie etwa eine Opernaufführung. Und ebenso selbstverständlich sollte es allmählich werden, dass bildende Künstlerinnen und Künstler auch ein Ausstellungshonorar erhalten.

Links zu PAErsche und einigen Performancekünstlern

PAErsche: http://www.paersche.org/Index.html

Boris Nieslony: http://www.asa.de/projects/asastart.htm

Evamaria Schaller: http://www.efeumaria.com

Marita Bullmann (Essen): http://www.maritabullmann.de

Rolf Hinterecker: http://www.asa.de/magazine/iss6/44hinterecker.html

Karin Meiner (Burgbrohl): http://blog.tischtransaktion.de

Waltraud Caspari-Philips (Bonn): http://www.caspari-philips.de

Der Journalist Helmut Lorscheid  hat im August in Königswinter ein Performance-Wochenende veranstaltet, ist also beim Thema „Performance“ sicherlich nicht neutral, sondern engagiert, ist seit Gründung häufiger Gast bei PAErsche, deren Name auf eine Bierlaune des Autors zurück zu führen ist. Er war auch mehrere Jahre Mitglied des Berliner Performer Stammtischs. (Anm. d. Red.)

 

 

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