Tara Donovan im arp museum Bahnhof Rolandseck
Von Anna Gesher
2.10.2013
Die Architektur Richard Meiers, die das Arp Museum hoch am Berghang von Rolandseck so entscheidend prägt, erweckt mit ihren großflächigen Glasfenstern, ihrem permanenten visuellen Austausch der Siebengebirgslandschaft außen mit den lichtdurchfluteten Räumen innen, wohl den Wunschtraum jedes Kunstschaffenden, hier mit seinem Werk den Dialog zu wagen. Der New Yorker Künstlerin Tara Donovan gelingt mit ihren Wandreliefs und raumgreifenden Skulpturen dieser Dialog scheinbar spielend. Oszillierende Gebilde, die vom „höchsten Himmelsgewölbe“ oder vom „tiefsten Meeresgrund“ stammen könnten, ziehen den Betrachter in ein optisches Abenteuer, das es näher zu ergründen gilt. Die Basis ihrer Arbeit sind ausgewählte Alltagsgegenstände, wie Plastikfolien, Trinkhalme, Zahnstocher, Stahlnadeln… doch sind gerade sie in ihrer vermeintlichen Profanität hochwertige Werkstoffe, die relativ preiswert und in großen Mengen jedezeit verfügbar sind, und es ist nicht verwunderlich, dass in den letzten Jahrzehnten sich zahlreiche Künstler gerade solche Materialien zu Nutze machten, freilich mit anderen Ergebnissen als Tara Donovan.
Bedeutend für die Wahl der Materialien sind für Tara Donovan zum einen deren physikalischen Eigenschaften, das heißt, mit wie viel Konsistenz, auch Transparenz, wie viel Oberflächenreflektion oder Absorption sie sich unter gegebenen Lichtverhältnissen bewähren können, zum anderen inwieweit sie durch ein Verfahren der Akkumulation und Verdichtung jene Ergebnisse erzeugen, die die Transformation in ein Kunstwerk, letztendlich ihre Transzendenz adäquat erfüllen.
Die Kleinteiligkeit des Materials, das seinen Umfang nur durch spezifische Anhäufungen erhält, bietet in sich eine Flexibilität der gestalterischen Form, die dem Werk in Fläche und Raum zu Gute kommt. So bilden zum Beispiel die aus durchsichtigen Plastikknöpfen bestehenden, aufstrebenden, an Korallengewächse erinnernden Strukturen mit dem Titel „Bluffs“ in ihren übereinander gesetzten Verschiebungen gerade jene unregelmäßigen und quasi beweglichen Formen, die das Ganze an organische Verbindungen erinnern lässt.
Desgleichen begegnet einem in dem weißlichen, je nach Lichtreflexion auch rötlich schimmernden überdimensionalen Wandrelief mit dem Titel „Haze“, dessen vermeintliche Kompaktheit durch Nuancen von Erhebungen und Ausbuchtungen in sanfter Unregelmäßigkeit schwingt, eine Art Landschaft, die bei näherer Betrachtung ihre wabenartige Struktur offenbart, die sich aus Tausenden quergelagerter Trinkhalme formiert.
Als ein „Wachsen“ kann dann auch im wahrsten Sinne des Wortes der lange Arbeitsprozess verstanden werden, der mikrokosmische Strukturen in repetitiver Konsequenz in einen Makrokosmus überführt, und von dort sich das Werk räumlich entfalten kann. Die Natur als Vorbild – aber nicht als Abbild, leitet die Künstlerin und führt in eine Welt der künstlerischen Wirklichkeit, deren Rückkoppelung von der Assoziation des Betrachters getragen wird. In diesem Sinne auch zu Hans Arp´s Werk Parallelen zu ziehen sind.
"Mylar", ein raumfüllendes schwarz-silbrig-schimmerndes Gebilde, geformt aus zahllosen, in Kugeln zusammengelegten dünnen Kunststofffolien, beschreibt wohl am besten die „Choreografie“ mit der die Künstlerin diese Großplastik in den Raum, der natürlich von Ausstellungsort zu Ausstellungsort immer wieder anders ist, einpasst. Tara Donovans skulpturales Werk ist nicht starr, sondern fügt sich jederzeit der Architektur, Formen entwickeln sich während des Entstehungsprozesses neu, ohne den spezifischen Charakter zu verlieren, sie zeugen von einer Lebendigkeit, die wiederum an die Natur gekoppelt ist.
Dass Tara Donovan eine Meisterin ist, mit unterschiedlichen Materialien auch unterschiedlichste Licht- und Farbwirkungen zu evozieren, zeigen alle ihre Werke, so auch ihre nicht betitelten Kuben, die aus Stahlnadeln, Zahnstochern und übereinandergelegten Glasscheiben bestehen. Jedes Objekt entwickelt für sich, trotz gleicher Form seinen eigene optische Qualität, glänzendes Metall, warmes Holz und bläulich schimmerndes Glas. Die Ruhe und edle Ästhetik, die Tara Donovans Werke trotz ihrer Vielgliedrigkeit ausstrahlen, mögen darauf zurückzuführen sein, dass sie keinen Materialienmix, sondern immer nur eine ausgewählte Sorte verwendet, deren Potential sie voll ausschöpft.
Die Zeiten, in denen Tara Donovan ihre Werke entwickelt, sind lang und, wie so oft, eine Mischung von spontanen Entdeckungen einerseits, und einer von vielen Überlegungen getragenen kompositorischen Arbeit andererseits. Ein 20-köpfiges Team, was ihr beim Aufbau der Werke zur Seite steht, trägt seinen Teil dazu bei, dass sich Entstehungsprozesse immer wieder aufs Neue entfalten können.
Die Ausstellung „Tara Donovan“ im arp museum Bahnhof Rolandseck entstand in Kooperation mit dem Dänischen Louisiana Museum of Modern Art, und ist noch bis zum 9. März 2014 in Rolandseck zu besichtigen.
Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen, in den auch ein aufschlussreiches Interview mit der Künstlerin aufgenommen wurde.
Öffnungszeiten und Begleitprogramm: www.arpmuseum.org