Das Biedermeier in Neuwied und am Mittelrhein

Von Bernd Willscheid
3. Oktober 2019

Das Roentgen-Museum Neuwied zeigt bis zum 10.11.2019 die Ausstellung „Das Biedermeier in Neuwied und am Mittelrhein“. Präsentiert werden zahlreiche Möbel, Landschaftsgemälde, Portraits, Uhren, Porzellan, Glas, Blechwaren und preußischer Eisenkunstguss. Mit diesen Kostbarkeiten möchte das Museum den Ausstellungsbesucher in die Zeit des Biedermeier mitnehmen und auf deren Besonderheiten im Neuwieder Raum aufmerksam machen.
In einer Beschreibung der Stadt Neuwied aus dem Jahre 1828, also mitten in der Biedermeier-Zeit heißt es: Die Neuwieder seien „im allgemeinen von einem guten Charakter, dienstfertig, betriebsam, sparsam, fleißig, wohlthätig, rechtlich, bereitwillig, Unglücklichen zu helfen, gehorsam gegen die Gesetze und fleißig im Kirchenbesuch an Sonn- und Festtagen.“ Weiter führt die Beschreibung auf: „Die allgemeine vorherrschende Anhänglichkeit der Neuwieder an das fürstliche und königliche Haus – also Wied und Preußen – verdient belobt zu werden. Im Hauswesen und Geschäft herrscht Ordnung, Pünktlichkeit und Reinlichkeit, ohne Ziererei.“

Besser könnte man sich den Charakter der Neuwieder nicht vorstellen. Die Beschreibung erweckt Assoziationen an die „gute, alte Zeit“, mit Damen in Kattunkleidern mit Schals und Herren mit Rock und Zylinder in verträumt liegenden Städten und Ortschaften in schöner Landschaft oder mit romantischen Stadtmauern, Kutschen über holprige Straßen rollend, Häuser mit gemütlichen Zimmern, eingerichtet mit Möbeln in klaren und schlichten Formen. Das zu dieser Zeit, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, bereits beginnende Industriezeitalter mit seinen großen Umwälzungen wird bei solchen Vorstellungen meist außen vor gelassen.

Wir befinden uns mit der Ausstellung in der Zeit des Biedermeier, das heute eine kunst- und kulturgeschichtliche Epochenbezeichnung in Deutschland und Österreich für die Zeit zwischen dem Untergang des napoleonischen Imperiums 1815 und der Revolution von 1848 ist. – Also eine Spanne von 33 Jahren.

 
Wiege, um 1840, Nussbaum, 128 x 120 x 62,5cm

Der Name Biedermeier entstand allerdings erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts – also kurz nach der eigentlichen Biedermeierzeit. Der Name entsprang aus einer scherzhaften Kombination der beiden von dem deutschen Schriftsteller und Dichter Joseph Victor von Scheffel (1826-1886) erfundenen Spießbürgertypen „Biedermann“ und „Bummelmaier“. Unter der fiktiven Figur des treuherzigen, aber mit einfachem Gemüt versehenen Dorflehrers „Gottfried Biedermaier“ ließen der Jurist und Schriftsteller Ludwig Eichrodt (1827-1892) und der Arzt und Dichter Adolf Kußmaul (1822-1902) ab 1855 in den Münchner „Fliegenden Blättern“ verschiedene Gedichte veröffentlichen, in denen die Biederkeit, der Kleingeist und die unpolitische Haltung großer Teile des Bürgertums karikiert wurden. Die zunächst nur spöttisch gemeinte Bezeichnung Biedermeier entwickelte sich dann ab dem Ende des 19. Jahrhunderts bis heute zu einer neutralen Bezeichnung dieser Kunst- und Kulturepoche.

Wie eben schon erwähnt, beginnt das Biedermeier mit der Niederlage Napoleons und dem 1814/15 folgenden Wiener Kongress, auf dem Europa neu geordnet bzw. die Verhältnisse vor der Französischen Revolution wieder hergestellt werden sollten. Der in Koblenz geborene Fürst Clemens Wenzeslaus von Metternich (1773-1859) spielte als damaliger österreichischer Außenminister eine führende Rolle und prägte maßgebend die europäische Politik.

Es kam zu einer dauerhaften Friedensordnung, allerdings auch zu einer starken Einschränkung jeglicher politischer Betätigung. Die nun größer und wohlhabender werdende Bürgerschicht verhielt sich so weniger politisch und war mehr auf Häuslichkeit und Sicherheit bedacht. Diese eher persönliche Unfreiheit, besonders die strenge Zensur bei Veröffentlichungen, hatte auch zur Folge, dass Künstler und Intellektuelle sogar ins Ausland emigrieren mussten.

Werfen wir einen Blick auf die politischen Verhältnisse hier im Rheinland, in unserer Region zur Zeit des Biedermeier: Das Rheinland war mit dem Wiener Kongress dem Königreich Preußen zugesprochen worden. Die Gebiete der Fürsten zu Wied in Neuwied und Dierdorf sowie ehemals kölnische, trierische und saynische Ämter und Ortschaften, die 1803 bzw. 1806 durch die Säkularisierung und Mediatisierung an Nassau gefallen waren, wurden nun an Preußen abgetreten. 1816 bildeten sich die preußischen Landkreise, so auch der Landkreis Neuwied und der Landkreis Linz, der wiederum 1822 an Neuwied angegliedert wurde.

Dem preußischen Landrat in Neuwied unterstanden vorerst nur Hoheits-, Steuer- und Militärangelegenheiten. In der Zuständigkeit der „Fürstlich Wiedischen Regierung“ verblieben bis 1848 Justiz-, Polizei- und Kommunalsachen sowie Kirchen- und Schulangelegenheiten. Auch im kulturellen Leben in Neuwied spielte das Fürstenhaus Wied weiterhin eine führende Rolle. Die Familienmitglieder hatten durch eine wesentliche Reduzierung ihrer Beteiligung an Regierungsgeschäften nun eher die Möglichkeit, sich von ihren persönlichen Neigungen und Liebhabereien leiten zu lassen und sich im wissenschaftlichen sowie künstlerischen Bereich zu betätigen: Prinz Maximilian zu Wied (1782-1867) wirkte als Naturforscher und Völkerkundler, reiste als solcher nach Brasilien und nach Nordamerika, erlangte Berühmtheit und wissenschaftliche Anerkennung. Sein Bruder Carl (1785-1864), ein talentierter Maler, studierte in Düsseldorf an der Kunstakademie, pflegte Umgang mit vielen dortigen Künstlern und portraitierte Verwandte, Freunde, Bedienstete seiner Familie sowie Bürger seiner Heimatstadt. Unter dem Neffen der Prinzen, Fürst Hermann, entwickelte sich Neuwied mit der Sommerresidenz Monrepos zu einem kulturellen Zentrum im Rheinland.

 
Briefbeschwerer, römischer Kieger Romulus mit Speer, um 1820, Eisenguss, Höhe 19cm, Sockel 18,3 x 7,9cm


Die Stadt Neuwied hatte um 1830 rund 5.400 Einwohner, die überwiegend von der Industrie, dem Betrieb von Gewerben, Manufakturen, Handel und geringem Ackerbau lebten. Sie waren Lutheraner, Reformierte, Herrnhuter, Mennoniten und Inspirierte, weiter Katholiken und Juden. Die Schulbildung fand in niederen und höheren Bürgerschulen, aber auch in Privatinstituten statt. Für die Wohltätigkeit sorgten die reformierte Armencasse, eine Krankenpflegegesellschaft, eine Zunft- und bürgerliche Krankenanstalt, eine allgemeine Armenanstalt, die fürstliche Mildencasse, ein Versorgungs-Haus für Hilflose, arme Altersschwache und verwaiste Kinder, verbunden mit einem Hospital und einer Pflegeanstalt für fremde erkrankte Gesellen, weiter auch die wiedische Bibelgesellschaft.

Als städtebaulich prägende Gebäude in der Stadt werden in der anfangs genannten Stadtbeschreibung von 1828 erwähnt: das fürstliche Schloss, die Kirchen und Gotteshäuser der verschiedenen Konfessionen, aber auch die öffentlichen Plätze und die „breiten, reinlichen Straßen mit meist gutem Pflaster“. Besonders herausgestellt sind die fürstliche Bibliothek, die fürstliche Sammlung von römischen Altertümern und die fürstliche Naturaliensammlung des Prinzen Maximilian zu Wied im ehemaligen Fasaneriegebäude im Neuwieder Schlosspark, die „dem häufigen Besuche von Fremden täglich offen“ steht. Dem leiblichen Wohl dienten die Gasthäuser Neuwieds. In den Gasthäusern der Brüdergemeine, zum goldenen Anker und zum wilden Mann waren auch Übernachtungsmöglichkeiten gegeben.

 

Spieltisch, um 1825-1830, Mahagonifurnir, 70,5 x 56 x 40,8cm


Infolge der politischen und sozialen Umschichtungen des frühen 19. Jahrhunderts entfaltete sich in Deutschland und in Österreich das Biedermeier, das meist als ein eher rein bürgerlicher Stil charakterisiert wird. In der Wohnkultur hatte dieser Stil aber nicht nur beim wohlhabenden Bürgertum, sondern auch schon früh in den Schlössern Einzug gehalten. Man strebte weg von der Repräsentation hin zur Bewohnbarkeit, zur praktischen Nutzung, zum Privaten. Gefordert wurden Bequemlichkeit, Einfachheit und Schönheit der Form und des Materials. Zahlreiche Interieurdarstellungen geben hiervon Kenntnis. In Aquarell, als Gouache oder Zeichnung bilden sie bis ins Detail genau die Wohnräume in den Schlössern oder gutbürgerlichen Haushalten ab. Beispiele im Original und als Raumtafel werden Sie in der Ausstellung finden.

Es entstanden zahlreiche, in ihren Formen aus dem Klassizismus hervorgegangene Möbel mit schlichter Eleganz und handwerklicher Qualität. Typisch waren Kommoden, Näh- und Spieltischchen, Sitzmöbel, hierunter vor allem das Sofa (damals noch Kanapee genannt), Vitrinen für Sammlungsstücke sowie Schränke und Betten. Der Schreibschrank (der Sekretär) war sicher das beliebteste Möbel. Ausgesucht gemaserte Hölzer wurden als Furniere für große, glatte Flächen der Möbel verwendet und ließen die Beschläge aus Bronze oder Messing sowie weitere, noch dem Klassizismus verbundene Dekorelemente immer mehr zurücktreten. Einheimische Hölzer wie Nuss-, Kirsch- und Birnbaum, Esche, Rüster, aber auch Mahagoni fanden Verwendung. Obwohl es wenige lokale Unterscheidungsmerkmale gab, so war die Palette der Möbelformen doch reichhaltig. Im Spätbiedermeier kamen auch Möbel mit Elementen der Neugotik, Neurenaissance und des Neobarock auf, die aber dem beginnenden Historismus zugeordnet werden müssen.

 

Gerhard Wenz (1807-1874), Neuwied, Schreibschrank, 1840, Mahagonifurnier, 171,5 x 104 x 60cm

Mit Abraham und David Roentgen hatte sich Neuwied in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu einem Zentrum der europäischen Möbelkunst entwickelt. Der gute Ruf der „Neuwieder Möbel“ blieb bis in die Biedermeierzeit erhalten und ließ eine erstaunlich große Anzahl von Schreinermeistern in Neuwied ansässig werden. So finden wir in den Gewerbetabellen der Stadt und Bürgermeisterei Neuwied unter den „Tischler[n] oder Schreiner[n], Stuhlmacher[n], Meublenfabrikanten u. Meublenpolirer[n]“ im Jahr 1822: 24 Meister und 33 Gehilfen und Lehrlinge, 1831: 26 Meister und 32 Gehilfen und Lehrlinge und 1846: 32 Meister und 30 Gehilfen und Lehrlinge (Stadtarchiv Neuwied, Bestand 1, Nr. 335). Im Vergleich hierzu waren 1822 in dem bedeutend größeren München mit seiner hohen Bautätigkeit lediglich 44 Schreinermeister tätig. Namen Neuwieder Werkstätten sind allerdings weniger bekannt. Die Möbelfabrik von Johann Wilhelm Vetter und seinem Sohn Carl Wilhelm, die durch Lieferungen eher frühhistoristischer Möbel nach Schloss Stolzenfels und Schloss Babelsberg zum Königlich-preußischen Hof-Möbelfabrikanten aufstiegen, die Schreinerei des Brüderhauses der Herrnhuter Brüdergemeine in Neuwied oder die Werkstatt des Schreinermeisters Gerhard Wenz bilden Ausnahmen.

Im Biedermeier spielte auch die Kleidermode eine bedeutende Rolle. Die Damen trugen rüschenbesetzte, schwingende Röcke mit enggeschnürter Taille, gebauschten Ärmeln und haubenartigen, sogenannten Schutenhüten, die Herren taillierte, farbige Fräcke oder Leibröcke mit gemusterten Westen, darunter hellere Beinkleider und weiße Hemden mit eng am Hals sitzenden sogenannten Vatermörderkragen. Die kunstvoll geknotete Halsbinde oder Krawatte, der Zylinder als Kopfbedeckung, der Spazierstock und die Taschenuhr ergänzten die wohl eher wenig bequeme Kleidung. Zahlreiche Portraits geben hierfür Beispiele.

 

Karl Müller (1818-1893) Portrait Karl von Barton genannt von Stedmann, 1838, Öl aufLeinwand, 75 x 54 cm


Ernst Deger (1809-1885), Portrait Agnes von Barton genannt Stedmann, geb. Roth, 1836, Öl auf Leinwand, 75 x 54cm

 

Mit der Portraitmalerei verdienten sich viele Künstler ihren Lebensunterhalt. Waren mit dem Ende des Ancien Régime große Aufträge von Adel und Kirche ausgeblieben, so fanden im frühen 19. Jahrhundert die Künstler im wohlhabenden und infolge der Französischen Revolution erstarkten Bürgertum einen neuen Kundenkreis. Oft reisten sie von Stadt zu Stadt und schufen hunderte von Personendarstellungen. In Neuwied wirkten Portraitmaler wie Eduard Freudenberg und August Hermann Kloß, die einige Mitglieder der Fürstenfamilie, vor allem aber das gehobene Bürgertum portraitierten. Das Portrait war Bestandteil der biedermeierlichen Wohnkultur und fand meist im Wohnzimmer seinen Platz.

 

Portrait Franziska und Berta Freudenberg, 1847, Öl auf Leinwand, 103 x 79cm

Neben dem Portrait dominierten im Biedermeier die Genre- und Landschaftsmalerei. Beeinflusst von der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts ähneln die Bilder fast fotografischen Darstellungen. Der Stil war realistisch, wenn auch gerne idealisiert und übersteigert. Typisch für das Rheinland sind die auch in der Ausstellung vertretenen zahlreichen romantischen Landschafts-, Orts- und Gebäudeansichten beispielsweise der Koblenzer Maler Johann Baptist Bachta, Johannes Jakob Dietzler und seines Sohnes Anton Dietzler. Maler wie Johann Martin Niederee oder der Kupferstecher Joseph von Keller, beide aus Linz am Rhein, widmeten sich neben dem Portrait eher religiösen Motiven und standen den Nazarenern, Vertretern einer romantisch-religiösen Kunstrichtung, nahe. Auch sie in der Ausstellung präsentiert.

 

Unbekannter Künstler, Rheinlandschaft mit Burgruine Rheinfels, 1848, Öl auf Holz, 18,2 x 13,8cm

 

In der Buchillustration wurde zunehmend die Lithografie mit ihrer Möglichkeit der Vervielfältigung eingesetzt und erlaubte so auch die Fertigung zahlreicher rheinromantischer Ansichten in der Reiseliteratur des frühen 19. Jahrhunderts. Hausmaler beschäftigten sich mit der Glas- und Porzellanmalerei. Typisch waren Gläser sowie Tassen und Teller mit Landschafts- und Gebäudeansichten als Souvenir für die immer weiter ansteigende Zahl der Rheinreisenden.

 

Schnupftabakdose "Amor als Liebeswächter", Manufaktur Stobwasser, Braunschweig oder Berlin,1. Drittel 19. Jh.
Papiermaché, schwarz lackiert, Dekor in Öl-Lackmalerei, Höhe 2,3cm, Durchmesser 8,6cm

Im musikalischen Leben der Biedermeierzeit hatte die Hausmusik mit Klavier große Bedeutung. Als Konzerte waren Kammermusikstücke gefragt. Die in Koblenz geborene Henriette Sontag und die „schwedische Nachtigall“ Jenny Lind galten als herausragende Opernstars. Von Henriette Sontag zeigen wir eine Büste aus dem Mittelrhein-Museum Koblenz sowie ihr Portrait auf einer Braunschweiger Schnupftabaksdose. In den Städten gründeten sich Gesangvereine und Musikgesellschaften, so auch in Neuwied unter dem Protektorat von Prinzessin Luise zu Wied (1773-1864). Beliebt waren das Ballett und Tanzveranstaltungen, bei denen der Walzer bevorzugt wurde.

In der Literatur wird neben dem scheinbar idyllischen Biedermeier eher das politische Engagement im Vorfeld der Märzrevolution von 1848 erkennbar. Zu den Vertretern dieser politisch engagierten Literatur zählen beispielsweise der von 1851 bis 1854 in Neuwied lebende Germanist und Dichter August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874), der 1839/40 in Unkel heimische Lyriker Ferdinand Freiligrath (1810-1876) oder die Schriftstellerin Bettina von Arnim (1785-1859). Einen Aufschwung erlebte das Theater, dessen Veranstaltungen aber mehr unterhaltender als belehrender Natur waren. Wie bei der Presse und Literatur, unterlagen auch die Theaterstücke und Opern der Zensur.

Bürgerliche Tugenden, so Fleiß, Ehrlichkeit, Treue, Pflichtgefühl und Bescheidenheit, weiter die Gemütlichkeit und Geselligkeit beim Kaffeekränzchen, am Stammtisch, bei der Hausmusik oder in Kaffeehäusern werden gerne mit dem Begriff Biedermeier verbunden. Die Familienstruktur war allerdings weiterhin patriarchalisch. Der Mann war das Oberhaupt, die Frau wirkte im Haushalt. In wohlhabenden Kreisen zählten zu ihrer wichtigsten Freizeitbeschäftigung die Handarbeit und das Klavierspiel. Lediglich die Kindererziehung erhielt mehr Aufmerksamkeit, und so waren Lehrerin und Erzieherin auch die wenigen Berufsmöglichkeiten, die der Frau, dann aber unverheiratet, zur Verfügung standen. Bekannt ist seit der Biedermeierzeit auch das häusliche Weihnachtsfest mit Weihnachtsbaum, Liedern und Bescherung.

 

Nähtisch in Trommelform, um 1825, Kirschbaum, massiv furniert, Höhe 78cm, Durchmesser 50cm

Das Biedermeier endete mit der 1848er Revolution, die in Neuwied allerdings so gut wie nicht stattfand. Schon vorher hatte der Fürst zu Wied, vor allem auch aus finanziellen Gründen, mit Berlin über die Abgabe der dem Fürstenhaus verbliebenen Regierungsrechte verhandelt. Im März 1848 gewährte er finanzielle Erlasse und kam so einer Revolution zuvor. Seine Regierungsrechte übertrug er im selben Jahr dem preußischen Staat.

Das Biedermeier befand sich in einer Spannung von bürgerlicher Kultur und politisch sozialem Aufbruch. Mit der Flucht der Bürger in die Idylle und ins Private galt diese Zeit damals oft als „hausbacken“ oder „konservativ“. Politische Bewegungen bezeichneten sie als „Vormärz“ und nutzten sie zur Vorbereitung einer revolutionären Veränderung. Die in späterer Zeit mit dem Biedermeier immer wieder verbundenen Vorstellungen von Gemütlichkeit, Schlichtheit, Bescheidenheit, Bürgerlichkeit sowie Behaglichkeit führten zur Sehnsucht nach dieser vermeintlich „heilen Welt“, einer Sehnsucht, die sich bis auf den heutigen Tag erhalten hat.

 
Stammbuch "Andenken", um 1845, 9,3 x 15,8cm

 

Literatur:

Friedrich Adolf Beck, Beschreibung der Stadt Neuwied. Für Fremde und Einheimische. Coblenz 1828.

Georg Himmelheber, Kunst des Biedermeier 1815-1835. Architektur, Malerei, Plastik, Kunsthandwerk, Musik, Dichtung und Mode. Ausstellungskatalog des Bayerischen Nationalmuseums München im Haus der Kunst, München, München 1988.

Hans Ottomeyer und Axel Schlapka, Biedermeier. Interieurs und Möbel. München 2000.

Hessische Hausstiftung (Hg.), Interieurs der Biedermeierzeit. Zimmeraquarelle aus fürstlichen Schlössern im Besitz des Hauses Hessen. Ausstellungskatalog, Museum Schloss Fasanerie, Eichenzell bei Fulda, Petersberg 2004.

Hans Ottomeyer, Klaus Albrecht Schröder und Laurie Winters (Hg.), Biedermeier. Die Erfindung der Einfachheit. Ausstellungskatalog Miwaukee Art Museum, Albertinum Wien, Deutsches Historisches Museum Berlin, Ostfildern 2006.

Heidrun Zinnkann (Hg.), Biedermeiermöbel Europas 1815-1835. Der feine Unterschied. Ausstellungskatalog, Museum für Angewandte Kunst Frankfurt/Main, München 2007.


 

„Das Biedermeier in Neuwied und am Mittelrhein

Ausstellung im Roentgen-Museum Neuwied
Raiffeisenplatz 1a, 56564 Neuwied

18.08.-10.11.2019

 

Zur Ausstellung ist ein reich bebilderter Katalog erschienen.

© alle Fotografien: Wolfgang Tillmanns

 

www.roentgen-museum-neuwied.de

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