Die Architekten Mattar & Scheler

Von Denise Steger
20. August 2019

Der Kölner Heinrich Mattar und der Coburger Eduard Scheler bildeten seit 1908 eine Architektensozietät und unterhielten Büros in Köln, Linz am Rhein und München. Neben zahlreichen Villen in Köln entstanden zwischen 1913 und 1956 rund 50 Gebäude in Linz am Rhein sowie 1928 das Kreis-Museum (heute Roentgen-Museum) in Neuwied.
Heinrich Mattar wurde am 11. März 1881 als 2. Sohn eines Eupener Tuchhändlers und seiner Frau, einer geb. Foveaux in Köln geboren. Sein Bruder, Stephan Mattar (1875-1943) schlug ebenfalls die Laufbahn eines Architekten in Köln ein. Heinrich Mattar studierte an der Technischen Hochschule in Berlin-Charlottenburg und an der Technischen Hochschule in München. Hier lernte er Eduard August Scheler kennen (*Coburg, 10. Oktober 1883, Ɨ Köln, 19. August 1951). Dieser hatte an der Baugewerkschule in Coburg studiert, bevor er zur Technischen Hochschule nach München wechselte. Nachdem Heinrich Mattar 1907 ein Büro in Köln eröffnet hatte, schloss Eduard Scheler sich ihm 1908 als Partner an und sie firmierten bis zu Heinrich Schelers Tod in Linz, am 21. April 1951, gemeinsam. Sie unterhielten nicht nur in Köln, sondern zeitweise auch in Linz (Kirchstr. 10) und München ihre Büros.

 
Die beiden Architekten sind stilistisch der so genannten „Reformarchitektur“ bzw. des „Heimatschutzstils“ zuzurechnen.
Mit wachsender Industrialisierung im 19. Jh. und damit einhergehendem Mangel an guten Wohnbedingungen formierten sich Reformvorstellungen, wie die des englischen Kunsthistorikers John Ruskin (1819-1900) oder die der Gartenstadtidee von Ebenezer Howard (1850-1928).
1904 gründete sich in Dresden der Deutsche Bund Heimatschutz mit dem Schwerpunkt Baupflege und dem Ziel, alte Formensprachen wieder aufzunehmen und traditionelle Bauweise und Handwerk zu fördern. 1907 formierte sich in Köln der „Rheinische Verein für Denkmalpflege und Heimatschutz“ mit gleichen Zielen. Die legendäre Werkbundausstellung in Köln 1914 mit über 50 Mustergebäuden, war ein bahnbrechendes Plädoyer für die Verbesserung des Wohnumfeldes.
Der „Heimatschutzstil“ kehrte sich von „klassischen Ordnung“ und der Internationalität des Historismus ab. Der Rückgriff auf regionale Traditionen stand im Vordergrund. Baustile vergangener Epochen wurden nicht detailgetreu nachgeahmt, sondern individuell verarbeitet.

Hinzu kam das Ziel, neue Bauten in gewachsene urbane Strukturen einzubinden, ein „Wohnen im Grünen“ zu realisieren, als Ideal eine „freistehenden Villa“ vor Augen.

 
Oberlöh 8, 1914


Die Entwürfe der bügerlichen Villen von Mattar & Scheler sind zahlreich und finden sich in Köln, Bonn und auch in Linz am Rhein. Als Linzer Beispiele können hier die des Prokuristen der Basalt AG Max Lessenich in der Oberlöh 8 (1914), die im Auftrag der Basalt AG errichtete Direktorenvilla in der Linzhausenstr. 22 (1914-15), die des Dr.-Ing. Hans Barkhausen, Vorstandsmitglied der Basalt AG, in der Au 2 (1922) oder die des Steinbruchbesitzers Fritz Wirtzfeld in der Linzhausenstr. 11 (1927-28), genannt werden.

 
Linzhausenstraße 22, 1914-1915

Doch nicht nur der Villenbau beschäftigte die Architekten. Den ersten Auftrag in Linz erhielten sie 1913 von dem jüdischen Kaufmann Hermann Hirsch, der den Neubau seines Kaufhauses, mitten in der Linzer Altstadt am Burgplatz/ Ecke Rheinstr. 1 plante, verbunden mit dem Ziel, das neue Gebäude adäquat in das historische Linzer Stadtbild einzupassen. Auf der Suche nach einem geeigneten Architekten wendete er sich an die 1907 in Düsseldorf ins Leben gerufene „Rheinische Bauberatungsstelle“, die das Ziel des „Heimatschutzes“ zur Grundlage hatte. Heinrich Mattar lieferte Hermann Hirsch das gewünschte Ergebnis, in dem er einen bereits vorhandenen Plan gekonnt umarbeitete.

 

 Ehem. Kaufhaus Hirsch, Burgplatz/ Rheinstraße 1, 1913

 

Zahlreiche Umbauten, Fassadengestaltungen, Aufstockungen… aber auch Neubauten, wie z. B. der kath. Kindergarten am Kirchplatz, haben die Architekten in der Linzer Innenstadt vorgenommen.

In den 20er Jahren war der Hauptauftraggeber die Basalt AG, die 1892 ihren Firmensitz von Köln nach Linz verlegte: Das imposante, schlossartige Verwaltungsgebäude wurde, im Rückgriff auf barocke Formenelemente und einer bis ins kleinste Detail geplanten Innenausstattung, in der Linzhausenstr. 20 (1920) errichtet. 

 

 Verwaltungsgebäude der BAG, Rheinfassade, Linzhausenstraße 20, 1920, Foto: Stadtarchiv Linz

 


Seitenfassade des Verwaltungsgebäudes mit kolossaler Säulenordnung

 

Es folgten die Basaltin-Fabrikations- und Steinbrecheranlagen Sterner Hütte (1921-22) und der Kalenborner Industriekomplex (1922-24).

 

 

 Sterner Hütte, 1920-1921

 

Außer den Direktorenvillen wurden für die Arbeiter und Angestellten Wohnblöcke erbaut. Neben dem voluminösen, der barocken Formensprache verpflichteten Gebäude in der Au 4 (1920-21) stehen die eher funktionalen Anlagen Asbacher Str. 123-135 (1920), Altenbachstr. 10 (1922) und am Schoppbüchel 13/13a (1922).

 


Am Schoppbüchel 13/13a, 1922

 


Asbacherstraße 123-135, 1920

 

Zwei weitere große Wohnkomplexe entstanden im Auftrag der Reichsbahnsiedlungsgesellschaft in der Asbacherstr. 130-132 (1925-26) und in der Linzhausenstr. 96 (1926).

 


Asbacherstraße 130-132, 1925-1926

 

 


Linzhausenstraße 96, Erweiterung eines älteren Baukomplexes, 1926

 

1925 erhielten die Architekten den Auftrag, das Kreismuseum Neuwied zu planen, nachdem sie einen vom Kreisausschuss ausgeschriebenen Ideenwettbewerb gewonnen hatten. Inzwischen hatte sich der Ruf von Heinrich Mattar in der Region schon sehr gefestigt, bereits ab 1905 hatte er sich immer wieder an Ausschreibungen/Wettbewerben für öffentliche Gebäude, wie Kirchen, Schulen, Kaufhäuser…beteiligt und seine Arbeiten wurden in überregionalen Zeitschriften publiziert.

Bis in die späten 30er Jahre wurden in Linz unter der Leitung von Mattar & Scheler zahlreiche Wohnhäuser errichtet, die, individuell wohl nach der Vorstellung des Bauherrn, recht unterschiedliche stilistische Züge, sofern man sie unter dem Begriff „Heimatschutzstil“ subsummieren will, aufweisen. Häufig anzutreffen sind nach außen vorgelegte halbrunde Treppenhäuser, vorspringende Erker und Risalite, Okuli im Giebeldreieck, Eingangsportale mit steinernem Gewände und halbrundem Vordach, Fensterläden…




Am Sändchen 22, ehemalige Arztpraxis Dr. Schnorrenberg, 1932

 

 


Beethovenstraße 1, 1937

 


Saarlandstraße 12, 1937-1938

 

 

„Am Anfang der Bautätigkeit steht eine stilistische Orientierung der Villen am sogenannten „Heimatstil“, also der Ausrichtung an regionalen, meist barocken Vorbildern in gebietstypischen Materialien. Dagegen ist für die Verwaltungsbauten die neobarocke „Staatsarchitektur der preußischen Bauverwaltung Vorbild und Richtmaß. Mattar und Scheler praktizieren eine Art ´rheinischen Sonderweg´ in ihrer Architektur, der zwischen barocker Repräsentation und Funktionsbau pendelt und völlig von den zeitgleichen Strömungen des Bauhauses oder ihrer rheinischen Ausprägungen im Werk des Kölner Architekten Wilhelm Riphan unbeeinflusst bleibt. (Zit. Paul-Georg Custodis, 2001)

 

Noch lange ist das Kapitel „Mattar & Scheler“ nicht abgeschlossen – viele Bauten warten noch auf ihre Bestimmung; selbst die Biografien der beiden Architekten sind noch nicht geschrieben.

Lit.: „H. Mattar & E. Scheler“ – Architekten des Heimatstils und ihre Bauten in Linz und Neuwied, Kreisverwaltung Neuwied 2001

© Fotografien Denise Steger

 

Ausstellung:
„Die Architekten Heinrich Mattar & Eduard Scheler – ihre Bauten in Linz und Neuwied“
Die Ausstellung zeigt aktuelle Fotografien sowie historische Dokumente aus dem Stadtarchiv Linz.
Markt 9, 53545 Linz am Rhein
Ausstellungsdauer: 24. August – 8. September 2019
Öffnungszeiten: Fr.-So., 15-18 Uhr
Zu der Ausstellung erscheint ein Katalog
Vernissage: 24. August 2019, 17 Uhr
Finissage am Tag des Offenen Denkmals, 8. September 2019:
Führungen durch das Verwaltungsgebäude Der Basalt AG, 14-15 Uhr und 15:30-16:30 Uhr, Treffpunkt am Haupteingang Linzhausenstraße 20, Linz

Veranstalter: KLIO – Zeitgenössische und historische Kunst Linz am Rhein e.V.

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