Ein Kleinod im Westerwald

Die Bruchhäuser Stiftung in Steimel bei Puderbach

Von Bernd Willscheid
16.11.2014

Bruchhäuser   

Von Puderbach im Westerwald kommend, erreicht man die Lindenallee des durch seine Märkte bekannten Ortes Steimel. Gegenüber dem Marktplatz befindet sich das Haus Neitzert, ein schlichter barocker Bau um 1730, das älteste Haus des Ortes. Mit Unterstützung der Ortsgemeinde Steimel, der Verbandsgemeinde Puderbach, des Landes Rheinland-Pfalz und der Denkmalschutzbehörde Neuwied konnte es vor dem Verfall gerettet und die Nutzung des historischen Gebäudes durch die Aufnahme der „Bruchhäuser Stiftung“ dauerhaft gesichert werden. Liebevoll restauriert und durch einen Anbau erweitert, wurde dann 2010 das Haus Neitzert mit der Sammlung zahlreicher Gemälde und Zeichnungen des Malers Karl Bruchhäuser (1917-2005) der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Die gemeinnützige, von den Söhnen des Kunstmalers 2008 eingerichtete Bruchhäuser Stiftung, eine rechtsfähige, öffentliche Stiftung des bürgerlichen Rechts, fördert das Andenken an den früher im benachbarten Ort Woldert beheimateten Künstler Karl Bruchhäuser. Dies wird verwirklicht durch die Konservierung, Aufbereitung und Ausstellung seiner zahlreichen Werke, insbesondere im Haus Neitzert in Steimel.

Der am 20. April 1917 in Dudenhofen/Odenwald geborene, in Dausenau an der Lahn aufgewachsene Karl Bruchhäuser besuchte 1936-38 die Kunstakademie in Düsseldorf. Als Soldat nahm er am Zweiten Weltkrieg teil und kam in amerikanische, dann englische Gefangenschaft. Seit 1946 lebte er in Neuwied und heiratete dort 1951 seine erste Ehefrau, die Kunsterzieherin und Grafikerin Elisabeth Gerhards.

Karl Bruchhäuser zählte zu den führenden Malern der Mittelrheinregion. Er war Gründungsmitglied des „Mittelrheinischen Künstlerverbandes“, nach dessen Auflösung der „Arbeitsgemeinschaft Bildender Künstler am Mittelrhein“ (AKM) und des „Berufsverbandes Bildender Künstler Rheinland-Pfalz“ (BBK). 1948 veröffentlichte er sein „Manifest an die Kunstschaffenden“, in dem er seine Position als Maler des Gegenständlichen darlegte und sich bewusst vom Weg der abstrakten Moderne abkehrte.

1954 erhielt er ein Stipendium des Landes Rheinland-Pfalz zur Teilnahme an der „Internationalen Sommerakademie“ in Salzburg, wo er Unterricht bei Oskar Kokoschka erhielt. Kokoschka bestätigte ihn als „hervorragend talentiert und starke Persönlichkeit“. Geprägt von dessen „Schule des Sehens“ wurden Bruchhäusers Werke freier und farbiger. Weitere Studienaufenthalte in Salzburg erfolgten 1956 und 1958. Studienreisen führten ihn nach Italien, Frankreich und in die Schweiz.

Seit 1961 lebte er in Österreich, bis er sich 1964 als freischaffender Maler mit seiner zweiten Ehefrau, Ute Rohde, und seinen vier Söhnen, darunter der heute bekannte Koblenzer Maler Andreas Bruchhäuser, in Woldert im Westerwald niederließ. Seine Werke, vor allem Landschaften und Portraits, stellte er in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland aus, auch erhielt er mehrere Kunstpreise. Umweltpolitisch engagierte er sich in den 1980er Jahren kurze Zeit bei den „Grünen“.

Im Alter von 88 Jahren verstarb er am 13. Oktober 2005 im Krankenhaus in Dierdorf.

In den Galerieräumen des Hauses Neitzert zeigt die Bruchhäuser Stiftung seit 2010 eine ständige Präsentation mit beeindruckenden Landschaftsbildern vom Rhein, vom Westerwald und von Österreich. Portraits der Familie und von befreundeten Künstlern, aber auch Aquarelle aus der Salzburger Zeit sowie einige abstrakte Monotypien bilden weitere Ausstellungsbereiche.

Eröffnet durch den Vorsitzenden der Bruchhäuser Stiftung, Volker Mendel, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Puderbach, den Neuwieder Landrat Rainer Kaul und Prof. Dr. Hartmut Weber, Präsident des Bundesarchivs a.D., werden seit dem 8. November 2014 in einer Kabinett-Ausstellung zusätzlich Zeichnungen und Aquarelle Bruchhäusers aus den Jahren des Zweiten Weltkriegs präsentiert.

 

Karl Bruchhäuser, Flüchtlingsfamilie, Tusche, © Bruchhäuserstiftung Steimel


Wegen seiner Weigerung, in den NS-Studentenbund einzutreten, wurde Karl Bruchhäuser im Herbst 1937 für ein Jahr in den Reichsarbeitsdienst in Bad Marienberg/Westerwald eingezogen und musste die Kunstakademie Düsseldorf, die er seit 1935 besuchte, verlassen. Anschließend erfolgte seine Einberufung zum Wehrdienst und nach Beginn des Zweiten Weltkriegs als 22-Jähriger zum Kriegsdienst. Er kämpfte in Frankreich an der Westfront, seit 1941 im Russland-Feldzug.

 

Karl Bruchhäuser, Russland, 1942, Tusche, © Bruchhäuserstiftung Steimel


Als vorgeschobener Beobachter trug Karl Bruchhäuser sein Skizzenbuch immer bei sich und skizzierte die jeweiligen Gegebenheiten. Seine Malutensilien, die in der Innenseite seiner Jacke steckten, schützen ihn sogar während eines Beschusses. Als Motive zeichnete er seine Kriegskameraden, die weite russische Landschaft und immer wieder russische Menschen – junge Frauen, fliehende Russen, Russen beim Essen, vor ihren Häusern, russische Kriegsgefangene, Dörfer und Gehöfte. Die russische Bevölkerung sah er nicht als Feind, sondern als Menschen, denen man helfen musste. Selbst seinen Feldpostbriefen an seine Eltern und seine Schwestern fügte er immer wieder kleine Skizzen bei. Weihnachtsgrüße, Ostergrüße und Geburtstagsgratulationen zeigen oft humorvolle Illustrationen, die die Familie nicht beunruhigen sollten. Kriegserlebnisse mit entsprechenden Skizzen wurden wegen der Zensur in den Briefen nicht aufgeführt.

               

Karl Bruchhäuser, Ukrainischer Bauer, 1943, Tusche, © Bruchhäuserstiftung Steimel
Karl Bruchhäuser, Ukrainisches Mädchen, 1944, Aquarell, © Bruchhäuserstiftung Steimel


225 Skizzenblätter haben sich erhalten. Vor allem die russischen Landschaften und Dorfszenen sind in zauberhaften Aquarellfarben abgebildet. Nur wenige Zeichnungen zeigen das Leben der Soldaten oder Geschütze und Panzer im Einsatz. Bruchhäusers Kriegsbilder geben selten das Aggressive, Dynamische wieder, sie haben eher etwas Stimmungsvolles, Sehnsuchtsvolles. Die Natur scheint als unwandelbar und ewig, sie ist vom Zeitgeschehen völlig losgelöst.

 

Karl Bruchhäuser, Haus in Gastrobenoje, 1943, Aquarell, © Bruchhäuserstiftung Steimel

 

Karl Bruchhäuser, Am Marktplatz von Witebsk, 1943, Feder, aquarelliert, © Bruchhäuserstiftung Steimel


Nach dem Krieg kam Karl Bruchhäuser in amerikanische und in englische Gefangenschaft. In den Gefangenenlagern in Ascot bei London und Carlisle in Nordengland war er mit vielen Künstlern, hierunter auch mit Dichtern und Schauspielern, zusammen. Darstellungen des zerstörerischen und grausamen Krieges waren ihm erst dort möglich. So entstanden zahlreiche Zeichnungen mit Allegorien, die Tod und Vernichtung sowie Gewalt, Machtmissbrauch oder Eigennutz zum Thema haben. Wohl durchdacht, kompositorisch gut aufgebaut und mit vielen kreativen Details versehen, sind sie meist mit christlicher Ikonografie ausgestattet. Für Bruchhäuser bedeuteten diese Arbeiten eine Möglichkeit, seine schrecklichen Erlebnisse während des Krieges zu verarbeiten.

 

Karl Bruchhäuser, Flüchtende, 1945, Tusche, © Bruchhäuserstiftung Steimel

 

Karl Bruchhäuser, Am Lagerfeuer (englische Gefangenschaft), 1946, Tusche, © Bruchhäuser-Stiftung Steimel


Für seine spätere Familie schrieb er in der Gefangenschaft das Kinderbuch „Traumreise ins Kinderland“ und entwarf die entsprechenden Illustrationen. 1946 kehrte Karl Bruchhäuser aus der Gefangenschaft in seine Heimat zurück. Noch im selben Jahr zog er nach Neuwied, wo sein Vater Landrat wurde.

Das Haus Neitzert in Steimel mit dieser bemerkenswerten Ausstellung kann als ein „Kleinod“ im Westerwald bezeichnet werden. Beeindruckt von den ausgestellten Gemälden und Zeichnungen sowie von dem ansprechenden Ambiente der Galerieräume findet das Haus Neitzert bei den Besuchern immer wieder hervorragende Resonanz. Die Besichtigung der Bruchhäuser-Ausstellung ist eine Fahrt nach Steimel wert und sehr zu empfehlen.

Quellen:

Frances Elisabeth de Schrevel: Karl Bruchhäuser – Begegnungen. Hrsg. Vom Landkreis Neuwied, Neuwied 1998

Frances Elisabeth de Schrevel: Anmerkungen zu Karl Bruchhäuser – Leben und Werk. In: Heimat-Jahrbuch des Landkreises Neuwied 1998

 

Ständige Präsentation der Werke des Kunstmalers Karl Bruchhäuser (1917-2005) und zusätzlich seit 8. November 2014 Kabinett-Ausstellung „Karl Bruchhäuser - Zeichnungen und Aquarelle der Kriegsjahre“.

Bruchhäuser    Haus Neitzert

    Lindenallee 10, 57614 Steimel/Westerwald

    Tel.: 02684-979395

    www.bruchhaeuser-stiftung.de

   Öffnungszeiten:

   So. 14-17 Uhr und nach Vereinbarung

 

 

 

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