Kohle auf Holz

Andrea Pröls in der Kreisverwaltung Neuwied

Von Denise Steger
3.4.2014

Pröls   

Der „Kunstflur“ in der Kreisverwaltung Neuwied hat sich in den Jahren seines Bestehens zur anspruchsvollen Begegnungsstätte von Kunst und Besucher entwickelt und zahlreichen professionellen Künstlern eine adäquate Ausstellungsmöglichkeit geboten.  „Kohle auf Holz“ heißt der Titel einer außergewöhnlichen Ausstellung von Andrea Pröls: Verträgt das zarte Medium „Zeichnung“ einen so harten und mit Maserungen und Verarbeitungsspuren durchzogenen Bildträger? Ein Experiment – aber ein erprobtes Experiment, denn bereits vor mehr als 10 Jahren, damals auf kleinen Pressspanplatten, hat Andrea Pröls entdeckt, dass sich die schwarze Kohle sehr gut von dem schlichten bräunlichen Hintergrund abhebt und die vermeintliche Unverträglichkeit eigentlich eine ideale Verbindung bedeuten kann, ja, eine völlig neue formale Ästhetik beschreibt. Eine Idee war geboren.

Und dennoch hat es Zeit gebraucht, bis diese Idee gereift war. Zeit, in der sich die Künstlerin Zeichnungen auf Papier und der Ölmalerei zugewendet hat, aber jetzt diese Idee „Kohlezeichnungen auf Holz“ in einer großen Werkserie aufgenommen hat. Für diese Werkserie hat Andrea Pröls das einheitliche Querformat von 45 x 60cm und das mit unregelmäßiger Maserung durchzogene und vom Gewicht her relativ leichte dünne Sperrholz gewählt. Damit akzeptiert Andrea Pröls die natürliche Vorlage des unbehandelten Holzes und macht sich die vorgefundenen Strukturen für die Bildanlage und die Motivwahl zunutze.

Das von der Künstlerin bevorzugte Sujet – und das hier in zahlreichen Paraphrasen immer wieder variiert ist, ist der menschliche Kopf, manchmal ergänzt durch die Andeutung des Körpers, vor allem aber ist es das Portrait und im Besonderen das Portrait ihrer Kinder.

Die Bedeutung des „Portraits“ in der Kunst reicht bis weit vor unsere Zeitrechnung zurück, besonders die in Enkaustik auf kleinen Holztafeln gemalten und bis heute erhaltenen ägyptischen Mumienportraits zeugen von der langen Tradition des authentischen Bildnisses. Damals in erster Linie der Memoria dienend, der Erinnerung an einen verstorbenen Menschen und dessen Weiterleben im Bild, changiert das moderne Portrait zwischen Erinnerungsbild und persönlicher Darstellung und wird seit dem Ende des 19. Jahrhundert in der Regel im Medium der Fotografie wiedergegeben.

Doch die Portraits von Andrea Pröls liegen jenseits der Tradition, sind mit herkömmlichen Bildnissen eigentlich gar nicht zu vergleichen. Das Portrait ist hier eher als Ausgangspunkt zu verstehen, um eine Figur und den sie umgebenden Raum ganz neu zu entwickeln und zu definieren.

 Pröls

Betrachten wir die Bilder näher, so kommen uns die Figuren in ganz unterschiedlichen Konstellationen entgegen. Das Titelbild der Ausstellung zum Beispiel zeigt den sehr realistisch ausgearbeiteten Kopf der Tochter. Die zarten jungen Züge, insbesondere der nach unten gerichtete Blick, zeugen von der Privatheit eines Moments. Es ist ein in sich selbst ruhendes Bildnis, das zum Betrachter keinen Kontakt aufnimmt. Schwerelos wirkt dieser Kopf der aus dem Holz aufzutauchen scheint und dennoch von ihm durchzogen wird. Der breite helle, unbehandelte Bildträger, der das Antlitz  breit umschließt, ersetzt vollständig den Körper, man könnte ihn als einen abstrakten Körper bezeichnen, ihn auch als eine Art Aura verstehen, oder einen nicht näher bestimmten Raum, der, wie zum Beispiel in dem Bild des Sohnes mit Kopfhörer, von Schallwellen durchzogen wird. Mensch und Medium verschmelzen zur Kunst, zu einer unauflöslichen Einheit. Diese Portraits gehören zu einer Gruppe von Bildern, die eine einzelnen, isolierten Menschen in einer sehr persönlichen, intimen Situation, so auch, wie eben schon erwähnt, den Sohn von Andrea Pröls, in dem unbehandelten etwa ¾. der Bildfläche einnehmenden Holz zeigen.

 Pröls

Daneben findet sich eine Anzahl von Bildern, in denen mehrere Personen auftauchen, oder handelt es sich die Verdoppelung des Modells? Gleich Zwillingen begegnen uns diese Personen als Halb- oder ¾-Figuren, nebeneinander, unbeteiligt, den Blick auf sich selbst oder in die Ferne gerichtet, jung, still, ohne Bewegung, ohne Geste, spärliche Ansätze einer Kopf- oder Körperwendung, ein Nebeneinander ohne sichtbare Kommunikation, als gäbe es Nichts zu sagen, weil alles schon gesagt ist, eine stumme Übereinkunft. Ein tiefer Ernst erfüllt die Szene. Und es ist wohl dieser Ernst, der Ausdruck einer Situation, der das eigentliche Bildthema ist. Die dargestellten Figuren sind abstrahiert, vom Portrait mehr oder weniger gelöst, sie sind zu einem Medium der Innerlichkeit transformiert. Das helle Holz beleuchtet an den Stellen, wo es von der Hintergrundbehandlung ausgespart ist, die Szene, aber auch dieses Licht ist ein abstraktes, wird aus keiner Quelle gespeist.

 Pröls

Die Hintergrundbehandlung spielt dabei in vielen der Zeichnungen eine bedeutende Rolle. Zum einen in der Licht- und Schattenwirkung und zum anderen offenbaren sich Strukturen, die durch die unterschiedliche Aufnahme der Kohle durch das Holz entsteht – neben der Maserung auch die unterschiedliche Dichte des Holzes, die die Kohle abgleiten teilweise und die zahlreichen Bearbeitungsspuren und Späne, die den Hintergrund zu einem imaginären Raum, ja zu einer Landschaft verbinden. Eine Landschaft, die sich quasi aus dem Zufall speist, karg, und trotzdem Tiefe in der Fläche zeigt. Sie ist mit der Natur kaum vergleichbar, sondern ein künstlerisch eigenständiges Konstrukt, wie von einem anderen Stern. Die Wirkung auf den Betrachter –metaphysisch. Ein junger Mensch, der in die Zukunft schaut? Sehen so Mensch und Landschaft in der Zukunft aus oder befinden wir uns hier in einer von Adrea Pröls eigenständig entwickelten Kunstlandschaft? Einer Welt, die mit einem völlig minimalistischen Ansatz neue Sehweisen und neue Gedankengänge eröffnet, im Changieren zwischen Figuration und Abstraktion und in der Kombination eines technischen Zufallsproduktes mit einer uralten Zeichentechnik eine ausgesprochen breite Palette des Ausdrucks definiert, der wir uns als Betrachter neugierig, überrascht, aber auch fragend zuwenden können.


Pröls

 

Pröls

 

Ausstellung in der Kreisverwaltung Neuwied, 20. März – 1. Juni 2014.

Wilhelm-Leuschner-Str. 9, 56564 Neuwied
Tel. 02631 803-379

Öffnungszeiten: Mo. bis Fr. 8 - 12 Uhr, zusätzl. Di. und Do. 14 - 16 Uhr

Hinweise auch unter "Kunst im Kreishaus": www.roentgen-museum-neuwied.de

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