2T - Gewaltige Bilder

Von Helmut Lorscheid
25.8.2013

Brückentürme Erpel 

 

 

 

 

 

 

 

 




In die schwarzen Brückentürme am südlichen Ortsrand von Erpel ist wieder einmal Leben eingekehrt. Seit dem 17 August und noch bis zum 21. September 2013, zeigt der Kunstverein antiFORM e.V. dort „Gewaltige Bilder“ – eine multimediale Kunstausstellung von 20 Künstlerinnen und Künstlern aus Alfter, Bad Honnef, Basel, Berlin, Bochum, Bonn, Dortmund, Düsseldorf, Hokkaido, Koblenz, Köln, Osaka, Stockholm und Stuttgart. Es sind Bildhauer, Lyriker, Maler, Musiker, Performance-, Streetart-, Videokünstler und Zeichner. Manche Arbeiten befassen sich tatsächlich mit Gewalt, andere sind nur deshalb gewaltig, weil sie einfach sehr groß sind. Gleich am Eingang präsentiert der Künstler Wolfgang Krell den Besuchern sein sieben Meter hohes Bild eines Wehrmachtssoldaten in grauer Uniform, mit einem  rot gemalten Sturmgewehr. Unter dem Helm ein Fragezeichen – statt eines Gesichts. Fragen an den Ort, an die Geschichte des militärischen Bauwerkes.

Die Ludendorff-Brücke wurde gebaut, um den Transport der deutschen Truppen nach Frankreich zu beschleunigen, doch erst 1918 fertiggestellt. Bekannt wurde sie als „Brücke von Remagen“ durch ihre kriegswichtige Rolle, die sie zum Ende des Zweiten Weltkrieges beim Vormarsch der US-Armee spielte. Es gab weit und breit nur noch diese Brücke, über die Amerikaner von der Eifel in den Westerwald gelangen konnten.

Direkt am Eingang, etwas geschützt vor Kinderaugen, ist eine Videoarbeit zu sehen, die zurückführt auf den Ursprung dieser Ausstellung. Die Idee zu dem Ausstellungstitel „Gewaltige Bildern“ kam Franca Perschen bei einem Kunstprojekt des Arp-Museums mit Schulen. Ausgehend von Bildern der Gräuel während des Ersten Weltkrieges hatten Schüler aus dem Internet Bildmaterial für drei Kurzfilme zusammengeschnitten. Wahrlich „gewaltige Bilder“

Auf diese Arbeit mit den Jugendlichen nimmt Franca Perschen auch in ihren sechs Bleistiftzeichnungen Bezug, die in einem der oberen Räume zu sehen sind. Der Titel beschreibt den Inhalt: Folterkammer. Die Künstlerin: „Gewaltige Bilder haben Widerhaken mit denen sie sich in meinem Kopf festsetzen und die es unmöglich machen sie spurlos zu entfernen.

Franca Perschen hat gemeinsam mit Helmut Reinelt, Andreas Rein und dem Autor die Ausstellung initiiert. Andreas Rein ist mit einer minimalistischen Arbeit vertreten, die im Gegensatz zu den Anderen nicht ausgeschildert ist. Sozusagen das „Suchbild“ der Ausstellung. Soviel wird verraten: Erinnerungen an eine Buchstabensuppe sind angebracht.

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Obwohl in ihr Gewalt als Problem thematisiert wird, „Gewaltige Bilder“ widmet sich keineswegs nur der Gewalt in Bildern, sondern spielt auch mit dem Begriff  „Gewaltig“ im Sinne von sehr groß oder auch beeindruckend. So sind die Bilder von Simone Albert gewaltig groß. Und  großartig in mehrfacher Hinsicht. Doldenblüten auf etwa 2,30 mal 3 Meter. So gemalt, dass viele Betrachter sie auf den ersten Blick als eine fotographische Arbeit betrachten. Doch Simone Alberts Bilder sind perfekte, fotorealistische Malerei.

Gleich neben ihrem Raum informiert die amnesty international Gruppe Bad Honnef mittels einer Plakatausstellung ägyptischer Streetart über die Situation in Ägypten. Ironie und beißender Humor gegen Terror und Gewalt.
So ist es oft in dieser Ausstellung, ein neuer Raum  - eine vollkommen andere Welt. Ein Grund, die Flure zwischen den Türmen und die Treppenaufgänge „unbespielt“ zu lassen. So bleibt den Besuchern Platz zur Besinnung, zur Reflexion des  zuvor gesehenen und Zeit zur Vorbereitung auf das was kommt. Die Architektur der Türme ermöglicht es meistens nicht  aus einem Raum zu sehen, was im benachbarten Raum ausgestellt ist. So funktionieren völlig verschiedene Positionen gleich nebeneinander.

Mit viel Humor betrachtet der schwedische Dadaist Edvard Derkert die Welt. Seine Stilrichtungen sind vielseitig. Seine Kunst reicht von dadaistischen Collagen über abstrakte, wie Gemälde anmutende Bilder, bis zu dunklen, romantischen Landschaften. Ruhig, oder auch in Bewegung (24 Bilder/Sekunde). Er selber sagt von sich, „er sei nicht ein, sondern viele Künstler“. Als verbindendes Element seiner verschiedenartigen Ansätze lässt sich jedoch meist ein ironischer Unterton im Dargestellten oder im Titel finden, wodurch viele seiner Werke komisch, absurd oder satirisch wirken. Um in Erpel bis zu Derkerts Videoraum vorzudringen, müssen die Besucher einige Treppen steigen. Doch was zu sehen ist, lohnt der Mühe. Derkert zu seiner Arbeit am Rhein: „Königswinter. Es regnet! Wenn es regnet, braucht man einen Regenschirm – um Wasser zu sammeln. Oder um zu schwimmen. Kunstschwimmen! Hier bin ich und da ist die Welt. Und man wird hungrig. Welthunger und Weltschmerz. Kunst ist ein lustiger Kampf zwischen Ideal und Realität. Ich, Künstler, kann nicht im Turm bleiben, denn die Weltüberschwemmt meine Arbeiten. Prost!“ Edvard Derkert war übrigens mehrere Wochen Gast des Vereins antiFORM in Königswinter und  damit dort der erste „Artist in Residence“. Weitere sollten folgen. Für sein “Artist in Residence Programm“ sucht antiFORM noch einen Sponsor.

Erpeler Brückentürme

Ganz oben angesiedelt in einem der Brückentürme ist auch die Multi-Media-Arbeit der Bonner Künstlerin Eva Wal. Sie hat sich inspirieren lassen durch eine Finnland-Reise, bei der sie in der freien Natur zu Fuß und mit dem Ruderboot unterwegs war. Ihre Videoinstallation/Lyrik „PÄIJÄNNE“, hat sie benannt nach dem zweitgrößten und tiefsten See Finnlands. Es entstand im Sommer 2010 auf einer winzigen, nur mit dem Ruderboot zu erreichenden Insel in eben diesem See. Eva Wal: „Dort erlebte ich eine Wildnis, die mich freundlich aufnahm…doch im Handumdrehen kann diese großartige Natur zur Rohen Wildnis werden, zur Frage auf Leben und Tod…“

Spielerich verarbeitet hat Peter Schmidt die brutale Realität eines Neo-Nazis Überfalls auf eine Gruppe ausländischer Jugendlicher im beschaulichen Winterbach. Neben der Installation eine Landschaft, wie aus dem Eisenbahn-Modellbaukasten, werden dokumentarische Fotos der Journalisten Nico und Alfred Denzinger gezeigt, sowie Großaufnahmen aus dem ausgestellten Modell, die diese Realität nachempfinden. Peter Schmidt: „ Die künstlerische Arbeitsweise ist dem Eisenbahnmodellbau entlehnt. Durch die Verkleinerung der Welt wird diese spielerisch in eine Idylle verwandelt, der Betrachter freut sich an dieser niedlichen Welt.“ Peter Schmidt war bereits im Projekt „Endstation St. Josef“ im Sommer 2012 in Königswinter mit einer seiner Miniaturwelten vertreten. Damals mit einer Arbeit zum Thema putzen. Er hatte dort die Lebensrealität der Menschen in Putzkolonnen nachgestellt.

2 T Erpel                             2T Erpel

Leichtigkeit und Frohsinn transportierten die bunten Zeichnungen der japanischen Künstlerin Akiko Ozasa. Sie hat bunte Schmetterlinge gezeichnet, deren Musterung bei näherer Betrachtung menschliche Figuren, Körperteile und manchmal auch Gewaltszenen darstellen. Die Arbeiten wurden von der Düsseldorf Christian Marx Galerie  zur Verfügung gestellt.

Der japanische Videokünstler Masahi Matuda hat ein Jahr lang die Skype-Unterhaltungen mit Menschen in der ganzen Welt aufgezeichnet und zu einer Videoinstallation verarbeitet. Er verarbeitete darin auch sein Heimweh nach dem so fernen Japan. Er studiert an der Kunstakademie Düsseldorf.

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Maximilian Siegenbruk, wie Masahi Matuda Student der Kunstakademie Düsseldorf, befasst sich in seiner Malerei mit den Actionfiguren, die seine Kindheit begleitet haben.  „Gewaltige Bilder beeindrucken oder schrecken ab, nicht nur durch reine Größe, sondern auch durch Schönheit, Monstrosität, Brutalität und andere Extreme“. Gleich neben Siegenbruks Arbeiten in einem der Kellerräume, zeigt der Baseler Streetartist Stefan Winterle sein Bild „PRISM“, seine persönliche Antwort auf die Ausspähung der weltweiten Kommunikationswege durch US-Geheimdienste.

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Mit viel Ironie und auch bisschen Spott haben sich die Kölner Foto-Künstler Achim Hehn und Felix Held der Frage gewidmet, was wohl aus den Helden und Figuren ihrer Kindheit geworden wäre, ja wenn sie denn lebten. Vielleicht wäre der Bösen Wolf zum Veganer geworden. Auf einem ihrer Bilder ist er jedenfalls mit Rotkäppchen im Gemüseladen zu sehen. Die beiden Künstler zu ihrer Arbeit: „Helden und Vorbilder wirken auf den ersten Blick oft gewaltig, übergroß… doch es sind auch nur ‚Menschen‘. Sieht man genauer hin, offenbaren sich ganz andere Geschichten.”

Aus einer bisher einmaligen Kooperation mit der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien http://www.bundespruefstelle.de/ sind die Fotoarbeiten von Helmut Reinelt entstanden. Der Künstler erklärt zu seiner, für diese Ausstellung konzipierten Arbeit: „Meine Bilder schildern Impressionen nach einer Vorführung des Horrorfilms "Saw 6", der eigentlich nichts anderes ist, als eine Aneinanderreihung von Einzelszenen, bei denen es ausschließlich darum geht, Menschen bestialisch zu quälen und sie auf ebenso schreckliche, wie phantasievolle Art und Weise zu töten.

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Die Bilder zeigen nur die Augen der Opfer im Moment der größten Qual. Sie spiegeln die Angst und die Schmerzen des gequälten Individuums. In einem Begleittext wird die Handlung geschildert, die sich in diesem  Moment vor dem Auge des Zuschauers abspielt.“

Der Dortmunder Mark Gmehling zeigt fröhliche Phantasiefiguren, die ausschauen, als wären sie aus Porzellan gefertigt. Sein Statement zum Ausstellungsthema: ” Gewaltig sind Bilder für mich wenn sie aus dem bunten Rauschen dass uns alle einlullt herausstechen und uns bewegen. Ob sie uns für den Moment nur ein Lächeln aufs Gesicht zaubern oder zum längerfristigen Nachdenken anregen spielt keine Rolle.

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Die Bonner Künstlerin Sonja Hellmann wird in Erpel mit einer Tanz-Performance vertreten sein: „der Klang vor dem ersten Blick“ – Sie sagt dazu: „Wenn der Zuschauer wirklich bereit ist zu schauen, bereit durch den materiellen Körper der Künstlerin hindurch zu blicken, wird er nicht nur einen Blick in die Künstlerseele werfen, viel mehr wird er sich selbst begegnen, seiner eigenen Seele gewahr werden, mit ihren Gründen und Abgründen, mit ihrer persönlichen Poesie und ihren eigenen Stolpersteinen. Dies kann uns in unserem innersten Wesen berühren. Wenn das geschieht, entsteht ein tiefes Erkennen der inneren Wirklichkeit, auch der eigenen Abgründe, die uns zurück schrecken lassen. Gewaltige Bilder...“

Die Berliner Video- und Performance-Künstlerin Miriam Wuttke zeigt ihre Videoarbeit im ersten Kellerraum, gleich nach dem Eingang. Idee und Konzept zu dieser Arbeit hat Miriam Wuttke während eines Aufenthalts in den Brückentürmen und bei stundenlangen Spaziergängen durch die Umgebung von Erpel im Juli dieses Jahres entwickelt. Sie nennt sie „Total Ecplipse“ und erklärt dazu:

„Angelegt als stark Orts-bezogene Recherche- Arbeit, bedeutet Total Eclipse auch die sehr genaue Beschäftigung und die Konfrontation mit räumlichen Gegebenheiten, das Überprüfen von geschichts- bezogenen Annahmen und das Hinterfragen eigener Standpunkte. Die Brückenpfeiler von Erpel und Remagen sind Baudenkmäler von Bedeutung und Tragweite. Sie sind Bauruine, Mahnmal, Grabmal. Und Erinnerungsstützen für eine verblassende Vergangenheit, deren lebendige Zeugen unsere Gegenwart bald verloren haben wird. In der Unverändertheit seit Kriegsende erinnern die Türme von Erpel eindrucksvoll an einen für uns unvorstellbaren Zustand der Zerstörung durch Krieg und Gewalt, stehen aber auch für die Beendigung dieses Zustandes und den Versuch des Friedens…“

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Auch außen an den Brückentürmen in Erpel und Remagen sind gewaltige Bilder angebracht. Der in Bendorf lebende, international tätige Künstler Hendrik Beikirch, porträtiert in einer Größe von 8 mal 8 Metern zwei Kriegsteilnehmer aus den USA und Deutschland, die an der Ludendorff-Brücke 1945 eingesetzt waren. Auf der Remagener Seite ist bereits das Porträt des früheren Flakhelfers (und späteren Politikers) Heinz Schwarz aus Leubsdorf entstanden. Das Bildnis eines US-Soldaten entsteht auf der Erpeler Seite.

Eine kleine Flaggenparade führt am Ortausgang von Erpel zur Brücke. Die Arbeiten von Anne Beikircher widmen sich dem Thema, in dem sie Gewalt gegen Bilder thematisiert – am Beispiel  einiger der von den Nazis als „entartet“ verunglimpften Kunstwerke. Die Flaggen sollen übrigens zum Ende der Ausstellung von Konrad Beikircher versteigert werden. Näheres ist auch hierzu der Homepage dieser Ausstellung zu entnehmen

Wie bereits in den Jahren zuvor, kooperiert die Aktion 2T mit lokalen, regionalen und bundesweit arbeitenden Partnern: ad Erpelle, dem Kunst - und Kulturkreis Erpel, dem Friedensmuseum Remagen, dem Bündnis Remagen für Frieden und Demokratie, dem Arp Museum Bahnhof Rolandseck und Amnesty International. Erstmals in diesem Jahr ist die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien des Bundesministeriums für Familie und der Lions Club Remagen dabei.

 

2T    Aktion 2T - Gewaltige Bilder

    17. August - 21. September 2013

    53579 Erpel, Brückentürme an der B 42

    Öffnungszeiten: Donnerstags – samstags 14.00 - 18.00 Uhr,
    sonntags 13.00 – 18,.00h

    Eintritt: 3 € für Erwachsene, Kinder bis 17 Jahren frei.
    Konzerte: 5,00 €

http://2013.aktion2t.de

Ein Theaterstück zur wahren Geschichte der Menschen, deren persönliches Schicksal unmittelbar mit dieser Brücke zusammenhing, zeigt die Landesbühne Rheinland-Pfalz  vom 23. August bis 14. September 2013 das Theaterstück „Die Brücke“ (Mi., Fr. und Sa. 19:30 Uhr sowie So. um 15:30 Uhr)  Mehr Informationen dazu unter:  
http://www.ad-erpelle.de/termine_preise.htm

 

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