KONKRET

Von Anna Gesher
14.7.2012

Konkret 

 

 

 

 

 

 


 

1916, vor knapp 100 Jahren, schuf Sophie Taeuber-Arp mit ihren horizontal-vertikalen Kompositionen als eine der ersten Kunstschaffenden Werke konkreter Kunst: Gestaltung in Farbe, Linie, Fläche und Raum, die gänzlich ohne figurative Vorbilder, deren Symbolisierung oder Abstrahierung auskommt. 1930 von Max Bill begrifflich als „Reiner Ausdruck von harmonischem Maß und Gesetz“ festgeschrieben, hatte sich eine ganz neue Kunstrichtung etabliert, deren Entwicklung in den fünf Jahrbüchern „Abstraction-création“ (1932-36) authentisch dokumentiert ist. 1944, in der ersten internationalen Ausstellung Konkreter Kunst in der Kunsthalle Basel war bereits ein Fazit aus drei Jahrzehnten zu sehen. Die Entwicklung dieser Schule ist auch im 21. Jahrhundert ungebrochen. Die Ur-Ur-Enkel haben sich emanzipiert. So präsentieren jenseits ortsnaher musealer Erstarrung, elf europäisch anerkannte Künstlerinnen und Künstler einen hervorragenden Querschnitt Konkreter Kunst bis zum 1. September 2013 im Künstlerforum Remagen. 

Unter den aus Polen, den Niederlanden, Ungarn, Frankreich und Deutschland stammenden Künstlern Michael Biscup, Alwin Dorok, Peter Hankel, Rity Jansen Heijtmajer, René Steffens und den Plastikern Reinhard Lättgen und Józef Zalavári besticht  das Werk des ungarischen Malers Lasló Ottó. Ein quadratisches Raster, über dem sich weiße und farbige Linien unterschiedlicher Länge horizontal-vertikal kreuzen, ein in Acryl gemaltes Präzisionswerk harmonischer Ordnung, dessen Leuchtkraft aus einem schwarzen Raum dem Betrachter entgegen zukommen scheint. Das Auge wird in unterschiedliche Richtungen gelenkt, um dann doch wieder im verdichteten Zentrum ruhen zu können. Yantra-ipsum-for-tuitus, der Titel des Bildes verweist auf den Schaffensprozess von Lasló Ottó, der hinter der sichtbaren Welt die der geordneten Zahlen, die der Geometrie erspürt, in ihnen das menschliche Sein erfährt und in strenger Systematik sichtbar macht. Das lateinische „Ipsum“ = „selbst“ und „Yantra“ – im Sanskrit „Mittel zur geistigen Versenkung“ geben Hinweis auf eine Vereinigung westlicher und östlicher Kultur-Traditionen, Hinweis auf ihre Formen und Symbole wie Mandalas oder Rastersysteme indischer Baukunst bis hin zur Sprache der Mathematik (Fibonacci-Folge), die quasi synkretisch in der Reinheit konkreter Formensprache aufgehen.

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Dass der Zufall die Komposition regiert, sieht man dem Werk von Ingrid Hornef aus der Serie „alea iacta est“ auf den ersten Blick nicht an. Der Würfel mit den Zahlen 1-6 entscheidet wie oft Weiß oder Schwarz in eine Reihe gesetzt werden. Dabei ist es ein ganz schlichter Alltagsgegenstand – ein kleiner Holzdübel, der die Grundlage des plastischen Werkes bestimmt. Auch wird man an Brettspiele erinnert, in denen Figuren in kleine Vertiefungen gesteckt werden. Doch völlig losgelöst von diesem rein assoziativen Hintergrund bietet die Komposition ein in reiner Form sich lösendes, an Strukturen reiches Raster, dem der Betrachter in alle Richtungen nachspüren kann.

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In den plastischen Arbeiten von Kirsten Delrieux bietet ein Alltagsgegenstand nicht nur die Material- sondern auch die Farb-Grundlage: Bunte Plastikbänder, in dichter Reihung um Holzobjekte- oder Platten gewickelt - zwei kleine Stelen, vor der Wand angebracht, auch solche, auf dem Boden platziert betonen die räumliche Intention. Die Farbabfolge, die dem Werk ihren intensiven Streifen-Charakter verleiht, entsteht in einer Mischung aus Zufall, unbewusstem Impuls und bewusster Wahl, die Möglichkeiten, die sich hier auftun, sind schier unendlich. „PLASTIK FANTASTIC“ beschreibt im doppelten Sinn des Wortes Form und Material, das sich im Spiel der Farbe (ent)wickelt.

Zukunftsweisend in der Konkreten Kunst dürften diejenigen Arbeiten sein, die computergestützt generiert werden, eröffnet sich hier doch ein Medium, dessen Möglichkeiten neue Dimensionen des Denkens, Komponierens und Sehens eröffnen. Zlatko Šumkovski zeigt im Künstlerforum einige seiner neuesten Arbeiten, die „als Ergebnis eines komplexen, Software gestützten Auseinandersetzungsprozesses enstanden, mit unterschiedlichen Ausgangspunkten und Anlässen, in dessen Verlauf vektor- und pixelbasierte, 3D- und CAD-Programme zyklisch und einem bestimmten Rhythmus folgend, zur Anwendung kommen.“

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Zentrale Themen sind modulierte Repetitionen bzw. Fragmentierungen, wie zum Beispiel die Arbeit „Djenne Extended“ – Das kontrastreiche, auf Dibond©Aluminiumplatte in einem hochwertigen Druckverfahren erstellte Bild, führt den Betrachter assoziativ in einen tiefen Raum, vermeintliche Licht und Schatten-Partien, die in ihrer Stärke mit abgestuftem Grau wechseln, lassen Gedanken an Häuserschluchten, Felsformationen oder einer Architekturutopie aufscheinen. Auch fugu_wtc2, ein „Netz“ sich neigender und kreuzender dünner weißer Linien mit umspannten Flächen in Rot, akzentuiert mit Weiß vor grauem Hintergrund – lässt Gedanken an Architektur entstehen, aber, das was in der Assoziation des Betrachters liegt, entwickelt sich jenseits der Daten, die auf die in Rede stehenden Formen und der Farbe zurückführbar sind.

Auch Zlatko Šumkovskis dreidimensionale Werke wie „BWV-988 [twins]“ oder „iceberg“ wurden teilweise nach digitalen Vorgaben erstellt und für die weitere Bearbeitung mit einem Lasersystem geschnitten, erst in einem letzten Schritt in herkömmlicher Weise zusammengebaut.

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 Welchen Weg wird die Konkrete Kunst in Zukunft beschreiten? Werden intelligente Algorithmen, vom Menschen so weit wie möglich losgelöst, genau die „letzte Konsequenz“ erreichen, „Den reinen Ausdruck von harmonischem Maß und Gesetzt“, wie es Max Bill formulierte, und wird sich genau darin der Mensch finden? 

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     Künstlerforum Remagen e.V.

     Villa Heros, Kirchstr. 3, 53424 Remagen

     Ausstellung vom 7. Juli – 1. September 2013

    Öffnungszeiten: Sa. u. So. 15 – 18 Uhr

     www.kuenstlerforum-remagen.de 

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