Garten Eden

Von Denise Steger
4.11.2014

nicolai   


Daraufhin pflanzte Gott der Herr einen Garten in Eden gen Osten und setzte den Menschen hinein, den er gebildet hatte.
(Gen, 2.8). „Ein Garten Eden – die Pflanzen auf Stefan Lochners Altar der Stadtpatrone“ heißt ein vom Berliner nicolai Verlag 2013 herausgegebenes kunstvoll gestaltetes Buch, das die Autorin Elisabeth Margarete Comes am 2.11.2014 im Konrad Adenauer Haus in Rhöndorf in einem beeindruckenden Vortrag vorstellte. Vor gut 18 Jahren gab der heutige Bischof von Würzburg Dr. Friedhelm Hofmann der Autorin den Anstoß, die vielen Pflanzen auf dem schmalen Bodenstreifen des wohl berühmtesten Kölner Triptychons zu identifizieren und die mehrdimensionalen Deutungsmuster des um 1442 entstandenen Gemäldes zu entschlüsseln. Ursprünglich vom Kölner Stadtrat für die ehemalige Ratskapelle in Auftrag gegeben, befindet sich der Altar auf Betreiben des Kölner Geistlichen und Gelehrten F. F. Wallraf seit 1810 in der Marienkapelle des Kölner Doms. 


Die Identifikation Stefan Lochners als Maler geht auf Albrecht Dürer zurück, der sich den Altar 1521auf seiner „Niederländischen Reise“ in Köln zeigen ließ und dies in seinem Tagebuch vermerkte. Im geschlossenen Zustand zeigt der Altar die Verkündigung an Maria, im geöffneten Mittelteil die Anbetung der Könige, auf dem rechten Flügel den hl. Gereon mit Gefolge, auf dem linken die hl. Ursula mit einer Gruppe ihrer 10.000 Jungfrauen.

    

Köln, Dom, Altar der Stadtpatrone, Foto: Welleschik

Der Bodenstreifen im Vordergrund, der gerade mal 10% des Bildes ausmacht, ist mit 40 unterschiedlichen Pflanzen bedeckt, die bis auf ganz wenige von Elisabeth Margarete Comes, die aus einer alten Kölner Familie stammt und u. a. Landwirtschaft, Biologie sowie Landespflege studierte, bestimmt werden konnten. Die Auswahl und die Präzision, mir der Stefan Lochner diese Pflanzen detailgetreu malte, lässt sein großes Wissen um die Botanik und auch die Heilwirkung der Blätter und Blüten erkennen – auf der Höhe einer Zeit in der das Studium  der Natur mit wachsendem Interesse betrieben wurde und den Epochenwandel hin zur Renaissance bekundet. 

 

Altar der Stadtpatrone, Detail, © Dombauarchiv Köln, Fotos: Matz und Schenk 2009

Altar der Stadtpatrone, Detail, © Dombauarchiv Köln, Fotos: Matz und Schenk 2009


Sind auf den Seitentafeln die Blumen noch karg gesetzt und lassen mehr Gräser und steinigen Boden erkennen, symbolisch wohl als der „ausgetrocknete Boden“, auf den, wenn Regen auf ihn fällt, das Christentum erblüht, zu deuten, so entwickelt sich zur Mitte hin ein prachtvoller Blütenteppich, in dessen Zentrum, direkt unter Maria eine Alraune wächst, Symbol Christi, der der Menschheit voransteht.

In diesem Garten Eden finden sich überwiegend essbare, nahrhafte Pflanzen und solche, denen heilende Wirkung zugesprochen wird, zum Beispiel das Lungenkraut, das der Legende nach seine weiß gesprenkelten Blätter bekam, als Maria ein wenig Milch bei der Stillung Christi herunter tropfte, Schlüsselblumen – Marien-Schlüssel zum Himmel, Erdbeeren, deren rote Früchte das Blut Christi und deren weiße Blüten die Unschuld und Reinheit Mariens symbolisieren und wiederum in der Marienlegende eine Rolle spielen, in der erzählt wird, das am Johannistag Maria die verstorbenen Kinder ins Paradies führt, um Erdbeeren zu pflücken. Im Blütenreigen auch das Gänseblümchen, Symbol der Bescheidenheit, Demut und Tugend, das wohl riechende Veilchen, das rot-weiß gestreifte Mariengräschen (Ackerwinde), der Frauenmantel, der Spitzwegerich, dem antibiotische Wirkung nachgesagt wird, und dessen klebriger Samen, der sich weit verbreitet, steht für die Verbreitung des Christentums. Man kann das Leberblümchen und  überall den hellblauen Borritsch entdecken, der Blut stillende Kraft haben soll, daneben das schwarze Bilsenkraut, ein Nachtschattengewächs, das bei Operationen und Sterbenden als Narkotikum verwendet wurde, die Nelkenwurz (Benediktinerkraut), schmerzstillend und als Schnaps gebrannt, Mittel gegen die Pest, Zitronenmelisse, die Dämonen und Unheil abwehrt, der kriechende Ginsel, gegen Pestbeulen und Antoniusfeuer eingesetzt, die marianische Königskerze, die ebenfalls, da sie von Ratten gemieden wurde, der Pestabwehr diente, die duftende Kartäusernelke, die in der Marienminne für Fruchbarkeit und Mutterschaft steht, das Vergissmeinnicht, Schlüssel zum Himmelreich und Erkenntnis des wahren Glaubens, Klee – Symbol der Dreifaltigkeit, wegen seines Ausbreitungsdrangs, ähnlich wie die Pusteblume, auch Zeichen der Verbreitung des Christentums, Ackergauchheil, als Mittel gegen Tollwut und Abwehr des Bösen, Buchsbaum, dessen langsames Wachstum ewiges Leben verspricht und dessen Zweige Palmsonntag geweiht und in die Wohnungen gehängt werden, Akelei und Maiglöckchen, die europäische Hauswurz, eine Weihekraut und Räuchermittel, auch zum Ausräuchern von Pesthäusern benutzt … und neben noch vielen anderen Pflanzen überall verteilte Getreidehalme, als Symbol für Maria, den Acker Gottes, der reiche Früchte hervorbringt... Besonders interessant dass am Pelzrand des knieenden Melchior stechender Mäusedorn zu finden ist – eine Pflanze, die ebenfalls der Rattenabwehr diente. Auf dem rechten Flügel, am Fuß von Gereon finden sich die neben bereits erwähnten auch die rote Lichtnelke und ein Hirschkäfer, Sinnbild für Fruchtbarkeit und Wachstum und Sinnbild für den Schutz der Stadt Köln.

 

 

 Altar der Stadtpatrone, Detail, © Dombauarchiv Köln, Fotos: Matz und Schenk 2009

 

Altar der Stadtpatrone, Detail, © Dombauarchiv Köln, Fotos: Matz und Schenk 2009

Für den Vegetationszeitpunkt wählte der Auftraggeber das Frühjahr, Stefan Lochner malte entsprechend manche Pflanzen in schon abgeblühten, manche in blühendem und manche in noch treibendem Zustand.

Sind von den 40 Pflanzen 26 der Mariensymbolik zuzuordnen, so ist auffällig, dass 24 gegen Seuchen und Epidemien, und 11 eindeutig gegen Pest und Rattenabwehr eingesetzt wurden, was wohl darauf zurückzuführen ist, dass die Kölner Geschichte und politische Situation in der Mitte des 15. Jahrhunderts, durch eine unruhige Zeit geprägt war, und besonders die Furcht vor der Pest und die Bekämpfung dieser Plage die Stadt in Atem hielt. Stefan Lochner selbst wurde wohl 1451 Opfer dieser Seuche.

Elisabeth Margarete Comes stellt in ihrem Buch neben einem Abriss über die Geschichte des Altars und seiner Beschreibung, des historischen Umfelds und der Vita Stefan Lochners, uns alle Pflanzen in ihren zahlreichen Facetten vor, mit besonders schönen Aufnahmen aus der Natur und auch mit den Qualität vollen Fotos von den Fotografen des Dombauarchivs Matz und Schenk. Hierbei wird jede Pflanze genau und fachgerecht beschrieben, ihr Großnaturraum und ihr Vorkommen dargelegt, Morphologie und Blütezeit bestimmt, ihre Namensgebung erforscht, die Symbolik aufgezeigt, ihre Heilwirkung im Mittelalter erörtert, kulinarisch beschrieben und natürlich die Verbindung auf ihre Stellung in dem Altarbild aufgezeigt. Und schließlich wird dem Leser im Anhang ein umfangreiches Glossar geboten.

Das aufwendig und kunstvoll, teilweise in Handarbeit gestaltete, 320-seitige und mit 110 farbigen Abbildungen versehene Buch, gebunden mit Banderole in einer hochwertigen Kassette ist in einer limitierten Auflage von 1000 Stück im nicolai Verlag, Berlin, 2013 erschienen.

Elisabeth Margarete Comes: Ein Garten Eden. Die Pflanzen auf Stefan Lochners Altar der Stadtpatrone.

ISBN 978-3-89479-714-0

www.nicolai-verlag.de

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