Tilman Joel - kurfürstlicher Kanzler, Rat und Stifter

Von Andrea Rönz
2.2.2014

Tilman Joel 

 

 

 

 

 

 

Tilman Joel wurde um 1395 als Sohn von Anton de Botis und Else Joel in eine wohlhabende und einflussreiche Linzer Ratsfamilie geboren. Sein Onkel Johannes Herbordi de Botis († 1418) stand unter anderem in päpstlichen Diensten, sein Bruder Wilhelm de Botis († 1429) war Abt des Zisterzienserklosters Marienstatt, zwei seiner Neffen dienten ebenfalls als kurfürstliche Kanzler. 1420 wurde Tilman Joel nach kirchenrechtlichen Studien an der Universität Köln als junger Doktor Propst von St. Florin in Koblenz. Er stand zu dieser Zeit bereits in Diensten des Trierer Erzbischofs und Kurfürsten Otto von Ziegenhain und rückte bald zum Kanzler auf. Nach dem Tod Erzbischof Ottos 1430 diente Tilman Joel in den folgenden drei Jahrzehnten dem Kölner Erzbischof und Kurfürsten Dietrich II. von Moers als kurfürstlicher Rat mit wechselnden Aufgaben.

Ende 1432 reiste er in die Schweiz, um als einer der beiden Vertreter des Erzbischofs am Basler Konzil (1431-1449) teilzunehmen und spielte eine wichtige Rolle bei der Ausarbeitung der Beschlüsse. Einen Höhepunkt in der diplomatischen Laufbahn Tilman Joels bildete seine Ansprache an Kaiser Friedrich III, die er als Mitglied der kurfürstlichen Wahlgesandtschaft in Wien an den neu gewählten König richtete und die seine bedeutende Position als außen- und kirchenpolitischer Berater Dietrichs II. von Moers widerspiegelt. Eng zusammen arbeitete Tilman Joel auch mit seinem Neffen Johannes Ruysch, genannt Joel, der 1439 in die Dienste Dietrichs II. von Moers trat und dort zum Kanzler aufstieg. Seit 1442 war er außerdem Rektor der Linzer Pfarrkirche.

 

Ratskapelle auf dem Linzer Marktplatz, Zeichnung von Jean Wescher 1908,  © Stadtarchiv Linz

Seiner Heimatstadt Linz blieb Tilman Joel zeitlebens eng verbunden. Mehrfach griff er ihr mit Krediten unter die Arme und setzte sich in seinen letzten Lebensjahren mit großzügigen Kunststiftungen ein Denkmal. Auf dem Marktplatz ließ er die 1462 geweihte Marienkapelle errichten (meist Rats- oder Marktkapelle genannt, 1818 abgebrochen) und sorgte für eine reichhaltige Ausstattung und Dotierung. Darunter von besonderer Bedeutung sind zwei bis heute erhaltene spätgotische Altarbilder, ein dreiflügeliger Marienaltar (seit 1967 Hauptaltar der Linzer Marienkirche) und der so genannte Gnadenstuhl, beide dem Kölner Meister der Lyversberger-Passion zugeschrieben.

 

Marienaltar, Umkreis Meister der Lyversberger Passion, Eichenholz, 1461-1463, Linz, Marienkirche, © Stadtarchiv Linz

Der Marienaltar, ein Triptychon mit einer 155 mal 184 Zentimeter messenden Mitteltafel, die von zwei je 155 mal 92 Zentimeter großen Seitenflügeln flankiert wird, zeigt im Mittelteil die Anbetung des Christuskindes, den Christusknaben im Tempel und die ungewöhnliche Darstellung des auferstandenen Jesus, der mit Maria auf einem Thron sitzt, umgeben von singenden und musizierenden Engeln. Der rechte Innenflügel zeigt auf ungeteiltem Goldgrund unten die Ausgießung des Heiligen Geistes und darüber in einer Wolkengloriole eine trinitatische Marienkrönung. Die Seitenflügel sind sowohl innen als auch außen bemalt. Bei geschlossenen Flügeln ist links eine Verkündigung Mariä zu sehen, auf der Außenseite des rechten Flügels ist die Kreuzigung mit Maria und Johannes dargestellt. Drei flügelbewehrte Engel fangen das Blut Christi auf, unten kniet betend der Stifter Tilman Joel, neben ihm sein Wappen. Den Hintergrund bildet eine in die Tiefe gestaffelte Landschaft mit der vieltürmigen Stadt Jerusalem. Geöffnet bietet das Retabel auf dem linken Flügel eine weitere Verkündigung, bei der Maria in der Kleidung einer Magd ein aufgeschlagenes Buch auf dem Schoss hält.

 

Bei dem so genannten Gnadenstuhl, heute im nördlichen Seitenschiff der Martinskirche, handelt es sich um eine 124,5 mal 180,5 Zentimeter große bemalte Holztafel. Das Bild zeigt auf Goldgrund Gottvater mit einer reichverzierten Krone auf dem Haupt, in den Armen den toten, nur mit einem Lendentuch bekleideten Körper Christi haltend. Links stehen zuerst Andreas, der das schräg gezimmerte Kreuz vor sich hält, und dann Johannes der Täufer, dessen verhüllte linke Hand ein geschlossenes Buch hält, auf dem sich als Symbol Christi ein Lamm befindet. Rechts von Gottvater ist in reich geschmücktem Ornat und mit Tiara auf dem Haupt der Märtyrer Papst Clemens I. mit dem Anker, seinem persönlichen Attribut, dargestellt. Neben ihm steht in liturgischer Gewandung der hl. Florinus, der aus einer Wein in eine Schale gießt, die eine kniende Frau ihm hinhält, eine Anspielung auf die Legende des hl. Florinus. In der Mitte unten kniet der betende Stifter - zu identifizieren an seinem Wappen - und stellt sich unter den Schutz seiner Wahlheiligen.

 

Gnadenstuhl, Umkreis Meister der Lyversberger Passion, Leinwand auf Eichenholz, um 1461, Linz, Martinskirche, Foto: Denise Steger 
© Kath. Pfarrei St. Martin, Linz

              

Gnadenstuhl, Detail: Stifter Tilman Joel, Foto: Denise Steger, © Kath. Pfarrei St. Martin, Linz
Gnadenstuhl, Detail: Stifterwappen, Foto: Denise Steger, © Kath. Pfarrei St. Martin, Linz

An der Annahme, beide Werke seien Stiftungen Tilman Joels, gibt es seit der Restaurierung vor wenigen Jahren jedoch Zweifel. Da die Stifterdarstellungen und die Wappen auf Triptychon und Gnadenstuhl nicht identisch sind, geht die neuere Forschung davon aus, dass Tilman Joel Stifter des Gnadenstuhls und dessen Neffe Johannes Ruysch Stifter des Marienaltars war.

 

Marienaltar, Umkreis Meister der Lyversberger Passion, Eichenholz, 1461-1463, geschlossener Zustand, Foto: G.P-V
© Kath. Pfarrei St. Martin, Linz

  
Marienaltar, Detail des rechten Außenflügels (Kreuzigung), (Mit-)Stifter Johannes Ruysch († 1488),  Foto: G.P-V  
© Kath. Pfarrei St. Martin, Linz

 

 

       

Marienaltar, Detail des rechten Außenflügels (Kreuzigung), Stifterwappen,  Foto: G.P-V, © Kath. Pfarrei St. Martin, Linz
Marienaltar, Detail des rechten Innenflügels, Stifterwappen in der Mantelschließe des Verkündigungsengels,  Foto: G.P-V 
© Kath. Pfarrei St. Martin, Linz

Einen vergoldeten, im Kern silbernen Messkelch stiftete Tilman Joël ebenfalls für die Linzer Ratskapelle.

 

Messkelch, gestiftet von Tilman Joel, Silber, getrieben, gegossen, graviert, Höhe: 17.5 cm, ø Kuppa: 11cm, ø Fuß: 16 cm,
Foto: Denise Steger, © Kath. Pfarrei St. Martin, Linz

Der achtseitige Sternfuß zeigt auf seiner glatten Oberfläche die Stifterinschrift:Teilmannus Joill fundator huius capelle in lyns

 

Messkelch, gestiftet von Tilman Joel, Detail: Stifterinschrift, Foto: Denise Steger, © Kath. Pfarrei St. Martin, Linz

Unter dem Fuß verrät ein Schriftzug das Gewicht des verarbeiteten Silbers: iij ma(r)e loit ij q(uent) = 2 ½ Mark, 1 Lot, 1 ½ Quentchen. Danach beträgt das Silbergewicht des Kelches ca. 604.73g.

 

Messkelch, gestiftet von Tilman Joel, Detail: Gewichtsangabe, Foto: Denise Steger, © Kath. Pfarrei St. Martin, Linz

Der Kelch gehört in Form und Aufbau zu einer Gruppe rheinischer Kelche, die im Verlauf des 15. Jahrhunderts in einer Kölner Goldschmiede gefertigt wurden.

Tilman Joel starb am 31.1.1461 in Köln und wurde dort vor dem Katharinenaltar der Stiftskirche St. Andreas begraben. Nach ihm ist in Linz der Tillmann Joel-Park an St. Martin benannt.

Die ausführliche Biografie von Tilman Joel, vgl. den Artikel von Andrea Rönz:  

http://www.rheinische-geschichte.lvr.de/persoenlichkeiten/T/Seiten/TilmanJoelvonLinz.aspx

Zu den Kunstschätzen: Steger, Denise: 800 Jahre Katholische Pfarrkirche St. Martin im Spiegel der Kunst, hrsg. Förderverein St. Martin Kirche Linz/Rhein e.V., Linz 2006. Die Festschrift kann für 20 Euro in der Martinskirche in Linz erworben werden.

Copyright