Zuerst verschwindet die Kunst, dann der Mensch

Von Anna Gesher
3.7.2013

 

 

 

 

 

 

„Zuerst verschwindet die Kunst, dann der Mensch.“ Schrieb der österreichische Dichter, Maler, Kunsthistoriker und Museumsgründer Adalbert Stifter angesichts des Deutschen Krieges 1866. Seiner Zeit weit voraus, trugen doch die Künstlerfiguren in seinen Dichtungen bereits den Gedanken der Abstraktion und der Autonomie der Farbe in sich, musste er, gefangen in seinem Jahrhundert, resignieren. Nicht einmal 80 Jahre später sollte seine These angesichts des 3. Reiches gewaltvoll  und nicht mehr zu steigern, bestätigt werden. Auch heute ist überall dort, wo freie Kunst eliminiert wird, die Frage nach den Menschenrechten gegeben. Aber, wie verhält es sich in unserer Demokratie?

 

Zum einen interessiert sich eine Mehrheit der Bevölkerung gar nicht für Kunst, am allerwenigsten für zeitgenössische; zum anderen werden von professioneller Seite jene Künstler mit Ignoranz gestraft, die nicht in das schmale Profil des Marktes oder staatlicher Institutionen passen – Bewerbungen sind nicht erwünscht – No reply – Kunst, die nicht erwünscht, ist nicht existent, darüber wird erst gar nicht diskutiert.

Die freie Szene, die bleibt, scheint unbegrenzt, wird aber, außer von den Künstlern selbst, kaum wahrgenommen und entbehrt der Nachhaltigkeit.

Und: inszenieren Künstler nicht selbst das Verschwinden? Kürzlich betrat ich eine Kölner Galerie, in deren Ausstellungsraum auf den ersten Blick außer einem Arbeitstisch mit PC und Katalogen, dahinter saß eine junge Frau, nichts zu sehen war – überlegte, ob man die Kunst versteckt hatte, damit der Besucher sie suchen konnte. Ich fragte nach, die junge Frau zeigte auf einen grauen rechteckigen Stein, der auf dem Boden in einer Ecke platziert war. „Stein des Anstoßes oder Stein der Weisen?“ fragte ich. Dazu konnte oder wollte sie nichts sagen, sie wäre „nur Praktikantin“, die Galeristin wäre zurzeit in New York, verwies auf die Kataloge. Steine gleicher grauen Sorte, wie man sie zum Bauen von Hauswänden benutzt, in verschiedenen Räumen, als Solitäre unterschiedlich aufgestellt, gut fotografiert, Grau-Weiß, Hochglanz, im Anhang opulente Vita der Künstlerin.

Als ich die Galerie verließ, dachte ich, dass Kunst gar nicht mehr verschwinden kann, da man Alles zur Kunst erklären kann; und doch – geht sie dann nicht im Allgemeinen und der Beliebigkeit auf?  

Und der Mensch?

 

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