Rheinhanghäuser

Von Denise Steger

 

„Gewiss hat es noch nie eine solche Vereinigung wilder und kultivierter Schönheit an einem Ort gegeben…“ schreibt der englische Philosoph David Hume in seinem Abschlussbericht zur Reise an den Mittelrhein im Jahr 1748. Die zum Rhein steil abfallenden Hänge, geprägt durch schroffe Felsen, Wälder und immer wieder charakteristische Flächen terrassierten Weinbaus, so wie die hohen Trutzburgen, die die Gipfel markieren, lassen das inzwischen zum Weltkulturerbe erklärte Rheintal bis heute in romantischer Faszination erscheinen. Zeitgenössische Architektur in diese Hang-Landschaften einzubinden, ist eine hoch sensible Aufgabe, der sich seit 2008 das deutsch-französische Planungsbüro Hertweck Devernois stellt.

Der in Remagen aufgewachsene Florian Hertweck, der neben Architektur sowohl Kunstgeschichte als auch Philosophie studierte, heute Professor für Architektur und Stadtplanung in Versailles und Mitbegründer eines experimentellen Planungsbüros in Versailles und Remagen, erarbeitet zusammen mit Pierre Alexandre Devernois weltweit Konzepte eines neuen Verhältnisses von Natur und Kultur, Mobilität und Immobilität.

Die Umgebung des Rheintals als Ideengeber für Gebautes: Einerseits als „Landmark“, das die Landschaft wie eine Burg dominiert, andererseits als in die Topographie vollständig Eingeschriebenes.

In Oberwinter entstand hoch auf einem Felsen, der einen überwältigenden Ausblick aufs Rheintal, Richtung Süden über Remagen hinaus bis nach Linz, in Norden auf den Drachenfels bietet, ein Wohnhaus, das die Prinzipien mittelrheinischer Burgenarchitektur aufnahm: Ein schmales, hohes Holzhaus, von verschiedenen Mauerformationen umfasst. Wie eine Mikroburg schirmt sich das Wohnhaus sowohl zu den Nachbarn als auch zur Straße ab, gleichzeitig öffnet es sich großzügig zum Tal und zur Südseite. Ein ausgefeiltes Energiekonzept, .in dem im Vorfeld der Sonnenverlauf am Computer simuliert wurde um gerade in der Hanglage die Sonneneinstrahlung optimal zu nutzen, gehörte ebenso zur Planung wie die zwischen den Mauerformationen geschützten Terrassenanlagen und der begrünte Innenhof. Eine Architektur, die aus der Landschaft wächst, im Prisma der Energie.

 Haus IP, Modell In Remagen entstand dagegen ein Mehrgenerationenhaus,
  wo nicht nur der Intimität und Rückzugmöglichkeit der
  einzelnen Familien durch die Baustruktur Rechnung getragen
  wurde, sondern aus dem Motiv „Weinbergsmauern“ ein in
  die Natur komplett eingefügtes Ensemble realisiert werden
  konnte. Aufgrund seiner exponierten Lage ging es den
  Architekten darum, dieses Haus in seiner Erscheinung
  zurücktreten zu lassen, um von keinem Blickpunkt der
  Umgebung aus als Haus wahrgenommen zu werden und
  um die historische Kulturlandschaft nicht zu beeinträchtigen.
  Die Mauern von diesem Haus lehnen sich auch formal an die
  unregelmäßige Anlage der Weinbergsmauern an, bieten
  dementsprechend ungewohnte Raumerlebnisse und immer
                                                                                                     wieder überraschende Blickachsen.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, das „Ordnen von sozialen Beziehungen“ durch die Strukturen der Architektur, kommt in allen Rheinhanghäusern so auch in einem weiteren Projekt in Sinzig zum Tragen. Ein Bau auf drei Ebenen: Ein Sockelgeschoss, das sich zu großen Teilen in die Erde eingräbt und nur talseits öffnet, ein vollkommen transparenter Mittelkorpus, der als großzügiger Gemeinschaftsraum dient, darüber individuelle Räume. Die Architektur nimmt Rücksicht auf die Bedürfnisse der einzelnen Familienmitglieder, ihrem Wunsch nach Verbindung oder Abgrenzungen, Gemeinschaft oder Individualität wird Rechnung getragen, unterschiedliche Abläufe des Einzelnen durch getrennte Raumtopologien erschlossen.

Die Rheinhanghäuser sind nur ein Beispiel für die Entwicklung und Forschung einer neuen Idee von Architektur, die sich bei Hertweck-Devernois auch auf das urbane Feld, den sozialen, biologischen und ökologischen Fragen einer neu zu denkenden „Stadtarchitektur“ und deren Verbindung zum Land erstreckt. Ihre Teilnahme an Ideenwettbewerben, die die Städte Paris, New York, Rom, Berlin Taiwan… betreffen, zeugen von dem Mut, Visionen zu haben, unsere „Um-Welt“ lebenswert zu erhalten, bzw. lebenswerter „umzucodieren“.

Florian Hertweck hat zahlreiche Publikationen verfasst – zum Thema der nachhaltigen Regional- und Infrastrukturplanung, zur Frage über den Umgang mit dem baulichen Erbe, aber auch zu Fragen der zeitgenössischen Baukultur. Zusammen mit Sébastian Marot hat er 2012 eine kritische und kommentierte Neuauflage von Oswald Mathias Ungers´und Rem Koolhaas` 1977 publiziertem Manifest „Die Stadt in der Stadt. Berlin - das Grüne Archipel“ herausgegeben und war an der internationalen Diskussionsrunde in Berlin unter gleichnamigem Titel im Rahmen der Ausstellung „Arno Brandlhuber – Archipel“ im September 2012 beteiligt.

www.hertweckdevernois.com

 

 

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